Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
hin. »Möchten Sie zuerst mit mir oder mit Mr. Benedict sprechen?«
»Vielleicht sollte ich mich zuerst mit dem trauernden Hausherrn unterhalten, denke ich.«
»Wenn Sie dann bitte für einen Moment hier warten würden.«
Mit raschelnden Seidenröcken wandte sie sich um und stieg die Treppe hinauf. Offensichtlich lag das Büro von Mr. Benedict im ersten Stock, abseits von Störungen durch Besucher und dem Kommen und Gehen des Haushalts.
Ich wartete unten und nutzte die Gelegenheit, mich ein wenig umzusehen. Überall waren Zeichen von Trauer. Sämtliche Bilder an den Wänden waren mit schwarzen Schleiern verhangen, genauso wie ein großer Spiegel. Ich erkühnte mich, eine Tür zu öffnen und in den Raum dahinter zu spähen. Es handelte sich offensichtlich um einen Salon; auch hier waren die Vorhänge vor die Fenster gezogen und die Bilder verschleiert … selbst die Beine eines großen Flügels waren mit schwarzen Seidenbändern verhüllt. Kein Wunder, dass es im ganzen Haus so düster war.
Dann jedoch bemerkte ich ein Bild, das nicht verschleiert war, und trat näher, um es zu betrachten. Es stand auf dem Flügel und war eine fotografische Studie der verstorbenen Frau. Sie war ganz in Weiß gekleidet und noch sehr jung. Sie lehnte an einer klassischen Säule mit einigen Drapierungen, und einmal mehr bemerkte ich, wie wunderschön sie im Leben gewesen sein musste. Vor der Fotografie stand eine einzelne Rose in einer rubinroten Glasvase. Ich nahm den massiven Silberrahmen zur Hand, um mir das Bild genauer anzusehen, und entdeckte in einer Ecke einen goldenen Stempel mit den Worten »Studio Podestà« und darunter »Venezia«.
»Inspector Ross?«
Miss Marchwood war zurück und stand in der Tür, von wo aus sie mich mit unverhüllter Missbilligung beobachtete. Was hatte sie denn erwartet? Ich war Polizeibeamter, und Schnüffeln war mein Beruf. Es ist das, worin wir gut sind. Niemand im Haus würde es gefallen, aber sie würden sich damit abfinden müssen.
»Mr. Benedict möchte Sie jetzt sehen. Ich bringe Sie zu ihm nach oben.«
Benedict erhob sich bei meinem Eintreten aus einem ledernen Ohrensessel. Das Arbeitszimmer war, wie der Rest des Hauses, voll mit Zeichen der Trauer, doch die Vorhänge vor den Fenstern waren weit genug zurückgezogen, um einen dünnen Lichtstrahl hereinzulassen, der den Raum in zwei Teile separierte. Wie überall sonst waren sämtliche Bilder verschleiert, mit einer einzigen Ausnahme, dem Salon im Erdgeschoss entsprechend: Über dem Kaminsims hing ein großes Ölgemälde von Allegra. Sie saß in einem Garten, und wie auf der Fotografie unten im Salon wirkte sie sehr jung. Der Hintergrund war blauer Himmel, heller Sonnenschein und eine Ranke über einer Pergola. Auch auf diesem Gemälde trug sie ein weißes Kleid, und in ihrem Schoß hielt sie verschiedene Blumen. Es sollte vermutlich andeuten, dass die Porträtierte sie gepflückt hatte.
»Meine Frau war eine außergewöhnliche Schönheit«, bemerkte Benedict leise.
Ich war verlegen, und ich konnte es nicht verbergen. »Bitte verzeihen Sie. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, als würde ich Sie ignorieren oder das Bild unziemlich anstarren. Mrs. Benedict war in der Tat, ganz wie Sie sagen, eine außergewöhnlich attraktive Person … außerdem sind alle anderen Gemälde im Haus verhüllt.«
»Ich habe es nicht über mich gebracht, auch dieses Bild verschleiern zu lassen«, sagte Benedict mit der gleichen leisen Stimme. »Es wäre mir vorgekommen, als hätte ich sie begraben. Was noch früh genug geschehen wird. Möchten Sie sich nicht setzen, Inspector?«
Er deutete auf einen zweiten Sessel und nahm selbst wieder in seinem Fauteuil Platz, aus dem er sich bei meinem Eintreten erhoben hatte. Sein Rücken war dem Fenster zugewandt und dem schmalen Sonnenstrahl, sodass ich sein Gesicht nicht deutlich sehen konnte. Das wenige Licht im Raum fiel ausnahmslos auf mich, und er war klar im Vorteil. Ich fragte mich, ob er es absichtlich so eingerichtet hatte.
Er war ein leicht gebauter Mann und zweifelsohne einige Jahre älter als seine Frau. Als meine Augen sich an das spärliche Licht gewöhnt hatten, bemerkte ich, dass sein Haaransatz zurückwich und das Haupthaar dünner wurde. Als er gestanden hatte, war mir aufgefallen, dass er von mittlerer Größe war. Ich musste an die Tote in der Leichenkammer denken, eine Schönheit sogar noch im Tod.
Ich eröffnete meinen Teil der Unterhaltung, indem ich ihm mein Beileid aussprach. Er
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