Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
Erschrocken wurde mir bewusst, dass ich zwei oder drei Minuten lang geschwiegen hatte.
»Selbstverständlich, Sir.«
»Was haben all diese Fragen mit der Suche nach dem Mörder meiner Frau zu tun?«
»Möglicherweise nichts, Sir, doch wir müssen den Hintergrund des Opfers durchleuchten.«
»Das haben Sie nun«, sagte er einfach.
»Sie haben keine Kinder?«, stellte ich eine letzte persönliche Frage.
»Nein«, antwortete er kühl. Die Frage war einen Schritt zu weit gegangen. »Ich finde unser Gespräch sehr schwierig, Inspector … Vielleicht könnten Sie ein andermal wiederkommen? Oder ich kann auch gerne zum Scotland Yard kommen, um Ihre Fragen zu beantworten. Es geht mir wirklich nicht … Mein Arzt hat mir eine Reihe von Pulvern gegeben, um meine Nerven zu beruhigen. Ich muss jetzt dringend eine Dosis nehmen.«
Das führte mich glatt zu meiner letzten Frage. »Ich verstehe, Sir. Man hat mir gesagt, Sie wären zusammengebrochen nach der … der Identifikation der Toten?«
Sein Gesicht verzog sich schmerzvoll bei dem Gedanken. Er nickte wortlos.
»Der Assistent, Scully, der Sie zu der Toten geführt hat … Er hat berichtet, Sie hätten irgendetwas von Toren gesagt, die man schließen sollte, aber es würde nichts nutzen. Vielleicht hatte Scully den genauen Wortlaut nicht verstanden, oder ich habe die Worte falsch wiedergegeben.«
»Oh, er hat sehr richtig verstanden«, sagte Benedict brüsk. »Also möchten Sie wissen, was ich gemeint habe? Warten Sie, ich zeige es Ihnen!«
Er erhob sich und ging zu einem Tisch mit einem Stapel ledergebundener Mappen darauf. Er nahm eine davon und kam zu mir zurück. Ich sah, dass es ein Skizzenalbum war. Er schlug es auf und fand, wonach er gesucht hatte, dann drehte er mir die aufgeschlagene Mappe zu, sodass ich das Bild sehen konnte.
Es war ein Aquarell, signiert mit den Initialen S. B. Ich nahm an, dass es sich um eine Kopie von etwas handelte, das er gesehen hatte, vielleicht auf seiner ersten Italienfahrt, vielleicht aber auch erst später. Es war eine mittelalterliche, grauenerregende Szene. Sie zeigte eine Landschaft mit einer gespenstischen Gestalt auf einem gleichermaßen gespenstischen Pferd in wilder Verfolgungsjagd nach einer Gruppe junger Männer, ebenfalls zu Pferde. Die Gestalt des Verfolgers, die nur der Tod selbst sein konnte, galoppierte an einem alten Paar vorbei, ohne es zu beachten. Die Frau zeigte voller Staunen auf den apokalyptischen Reiter, fassungslos angesichts der Tatsache, dass nicht sie und ihr Ehemann die auserkorenen Opfer waren. Doch der Tod hatte andere Beute im Sinn. Er wollte die Jungen. Die jungen Männer waren edel gekleidet. Sie hatten goldene Locken. Ihre Kameraden am Ende der versprengten Kavalkade waren ihm bereits zum Opfer gefallen und hingen leblos in ihren Sätteln, vergeblich immer weiter vorwärtsgetragen von ihren panischen Reittieren. Die jungen Männer an der Spitze des Trupps starrten voller Entsetzen und Verzweiflung auf das Geschehen hinter sich. Sie beabsichtigten wohl, sich durch die offenen Tore einer Stadt, die von einem mächtigen Wall umgeben war, in Sicherheit zu bringen, als könnten sie, einmal im Innern angekommen, die schweren Tore vor dem erbarmungslosen Verfolger schließen und sich so in Sicherheit bringen. Doch sie waren verloren, und sie wussten es. Es stand in ihren Gesichtern. Selbst ihre Pferde mit den verdrehten Augen und den geblähten Nüstern schienen es zu ahnen. Die Ersten hatten die Tore erreicht, doch die irdische Zuflucht konnte nicht einen von ihnen retten, nicht einen Einzigen. Jugend, Reichtum, Schönheit … nichts konnte den Verfolger erbarmen.
»Ich habe diese Szene von einem Fresko der Dominikanerkirche in Bolzano in Südtirol kopiert. Die Stadt gehört heute zu Österreich, auch wenn die Italiener sie seit alters für sich beanspruchen. Wie dem auch sei, das Fresko heißt ›Triumph des Todes‹. Der Tod macht sich einen Spaß daraus, die Jungen und Schönen zu holen, verstehen Sie? Eigentlich müsste er die Alten holen, aber er …«
Benedict klappte die Mappe zu.
»Und jetzt hat er meine Frau geholt, Inspector. Ich war fünfzehn Jahre älter als sie, trotzdem hat er sie zuerst geholt. Niemand kann ihn aufhalten. Kein Tor, das ihn aussperren könnte.«
»Ihre Frau starb aber keinen gewöhnlichen Tod …«, wandte ich verlegen ein.
»Tod ist Tod«, entgegnete er. »Keiner von uns vermag ihm zu entkommen, und gegen ihn zu lamentieren ist nutzlos. Doch so willkürlich
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