Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
es Mrs. Scott nicht anders?« Ich verstummte erneut. »Und?«, fragte ich schließlich. »Was sagst du bis hierher zu meiner Argumentation?«
»Plausibel«, antwortete Ben. »Wenngleich viel zu viele ›Vielleicht‹ darin vorkommen.«
»Es gibt auch einen Schwachpunkt«, räumte ich ein. »Nämlich den, dass Allegra Benedict die Einladung zu den Treffen offensichtlich nicht angenommen hat, lediglich ihre Gesellschafterin ist hingegangen. Bessie hat Allegra Benedict nie dort gesehen. Sie war definitiv nicht da.«
»Was lediglich bedeutet, dass Isabella Marchwood sich für die Bewegung interessierte und Allegra Benedict nicht. Vielleicht sind wir auf einem falschen Weg, wenn wir uns auf diese Treffen konzentrieren. Allegra Benedict war Italienerin und wuchs in einem Land auf, in dem jeder Wein trinkt, ohne sich etwas dabei zu denken«, warf Ben ein. »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie Lust auf diese Treffen der Temperenzbewegung hatte.«
»Nein«, sagte ich und beugte mich aufgeregt vor, als mir eine Idee kam. »Aber sie würde vielleicht zu einer Soiree in einem vornehmen Haus in Clapham gehen.«
Ben sah mich an. »Wenn du das Gleiche denkst wie ich«, sagte er schließlich langsam, »dann gibt es vielleicht doch noch eine weitere Verbindung zwischen den beiden – zwischen Allegra und Mrs. Scott, meine ich. Beide müssen einsame Frauen gewesen sein – eine verwitwet, möglicherweise in jungen Jahren, und eine im Exil und fern ihrer Heimat, verheiratet mit einem viel älteren Mann, dessen einziges Interesse seinen Gemälden und seiner Galerie zu gelten scheint.«
Er zögerte. »Angelis hätte eine Rechtfertigung, warum er Mrs. Scott besucht hat. Vielleicht hat er sie beraten, was ihre nächsten Käufe in der Welt der Kunst angeht. Falls sie einsam genug war, hat sie ihn vielleicht sogar ermuntert, sie zu besuchen und ihn sogar zu ihren Soireen eingeladen. Er hat sicher einen herrlich verwegenen Eindruck auf die versammelten Gäste gemacht.
Andererseits war Allegra ebenfalls einsam. Ich habe keinen Zweifel an alledem. Wir wissen mit Bestimmtheit, dass Allegra und George Angelis einander gekannt haben. Sie sind sich regelmäßig in der Galerie begegnet. Ich weiß nicht, woher Angelis kommt, aber selbst wenn er in diesem Land geboren wurde, stammen seine Vorfahren nicht von hier, so viel ist klar. Vielleicht waren er und Allegra beide Fremde in einem fremden Land. Beide stammen aus Ländern voller Sonnenschein und Weinberge … und beide waren gestrandet im verregneten, nebligen England, wo der Dämon Trunkenheit gemieden wird. Ich denke, es wäre genug, um zwei Menschen Freundschaft schließen zu lassen», sagte Ben mit einem Lächeln. »Und sie könnte sich bei den Treffen im Haus von Mrs. Scott noch vertieft haben.«
»Es ist eine wunderbare Theorie, Ben«, entgegnete ich. »aber sie hat einen fatalen Fehler. Damit es so sein könnte, wie du sagst, müsste sich Allegra mit Mrs. Scott angefreundet haben.«
»Du selbst hast vorgeschlagen, dass es möglicherweise so ist«, sagte er. »Du hast gesagt, dass sie vielleicht diese Soireen der Scott draußen in Clapham besucht haben könnte.«
»Ich weiß, was ich gesagt habe. Aber ich bin nicht sicher, ob es so war. Gib mir Zeit. Bessie und ich arbeiten dran.«
Er sah mich ernst an. »Sei bloß vorsichtig, Lizzie! Vergiss nicht, irgendjemand da draußen in diesem Zirkel ist ein Mörder.«
Inspector Benjamin Ross
Selbstverständlich war alles äußerst interessant, was Lizzie mir berichtet hatte. Es machte mich, noch sicherer, dass Allegra Benedict an jenem nebligen Nachmittag nicht aus reinem Zufall in den Park gegangen war. Sie hatte sich mit jemandem dort verabredet und war so verzweifelt darauf bedacht gewesen, die Verabredung nicht zu versäumen, dass sie beschlossen hatte, trotz des Nebels den Weg zu der Eiche zu suchen. Das legte die Vermutung nahe, dass sie und die unbekannte Person sich schon früher bei diesem Baum getroffen hatten. Sowohl die Eiche als auch der Weg dorthin mussten ihr vertraut gewesen sein. So vertraut, dass sie trotz der schlechten Sicht zuversichtlich gewesen war, den Treffpunkt zu finden.
Es scheint, ich bin zu bekannt. Die Gentlemen von der Presse kannten mich jedenfalls alle, und ich musste am nächsten Morgen ein richtiges Spießrutenlaufen hinter mich bringen, bevor ich mein Büro erreicht hatte. Ein Mistkerl vertrat mir schon hundert Meter vorher den Weg. Er war groß, schlank, ein eifrig
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