Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
wie sie die Treppe hinaufrannte.
Ich nahm meinen Hut und durchquerte die Eingangshalle zur Haustür. Als ich öffnete, stand Benedict vor mir.
»Ich hoffe sehr, dass dieser Besuch Ihre Zeit wert gewesen ist, Inspector«, sagte er. »Das nächste Mal, wenn Sie kommen, erwarte ich, dass Sie Fortschritte zu vermelden haben.«
Er stapfte an mir vorbei ins Haus. Die Tür wurde geschlossen, und ich stand allein auf der Schwelle.
»Verdammt, verdammt, verdammt …«, murmelte ich vor mich hin, als ich mich vom Haus entfernte. Noch zehn Minuten, und ich hätte etwas wirklich Nützliches von dieser Frau erfahren. Sie hatte Angst vor ihm, so viel war klar. Wenn sie Allegra dabei geholfen hatte, etwas zu tun, das Benedict nicht gutgeheißen hätte, dann war sie zweifellos fest entschlossen, ihn das nicht herausfinden zu lassen. Selbst wenn das bedeutete, die Aufklärung des Mordes an ihrer früheren Herrin zu behindern.
Den ganzen Weg bis zum Bahnhof und weiter im Zug zurück nach London drehte und wendete ich jedes Wort, das Isabella Marchwood gesagt hatte. Bei unserer ersten Unterhaltung am Tag zuvor war sie sehr viel beherrschter erschienen. Diesmal hatte sie kurz vor dem Zusammenbruch gestanden. In diesem verzweifelten Zustand hatte sie ganz bestimmt irgendetwas Unbedachtes gesagt, und wenn es nur ein einziges Wort war …
Außerdem musste ich Benedicts Verhalten ihr gegenüber mit in Betracht ziehen. Bei meinem ersten Besuch war Miss Marchwood noch persönlich nach oben in sein Arbeitszimmer gegangen, um ihn über meinen Besuch zu informieren und nach unten zu begleiten. Sie schien den Haushalt im Griff gehabt zu haben.
All das hatte sich in der Zwischenzeit dramatisch verändert. Benedict hatte, wie ich soeben von ihr erfahren hatte, einen Wutanfall erlitten und ihr befohlen, ihm aus den Augen zu gehen. Warum die plötzliche Verhaltensänderung ihr gegenüber? Ich konnte nicht anders, als anzunehmen, dass es mit meinem Besuch zusammenhing. Was hatte ich gesagt? Oder lag es nur daran, dass seine anfängliche Wut von Sorge und Schock gedämpft worden war? Hatte er aufgrund meines Besuchs und meiner Fragen realisiert, dass der Tod seiner Frau nun Gegenstand einer polizeilichen Ermittlung war mit sämtlichen sich daraus ergebenden Konsequenzen? Dass man ihn nicht mehr für sich allein trauern lassen würde? Dass durch unsere Ermittlungen Öffentlichkeit entstand, dass seine Beziehung zu seiner Frau mit einem Mikroskop untersucht werden würde und dass nicht nur wir, sondern auch die Presse in seine Privatsphäre eindringen würden? Was wiederum sein Geschäft beeinträchtigen konnte. Er brauchte jemanden, dem er die Schuld an alledem geben konnte. Er vermochte sie nicht bei sich selbst zu suchen – ich nahm an, das lag nicht in seiner Natur. Also hatte er sich gegen Isabella Marchwood gewandt. Sie war angestellt worden, um Allegra vor jeglicher Unbill zu schützen, und sie hatte versagt, so einfach war das für Benedict. Dass ein Mörder im Nebel sein Unwesen getrieben hatte, entschuldigte ihren Fehler nicht.
Oder hatte ich – trotz meiner Vorsicht – den Verdacht in ihm erweckt, dass diese traurige Angelegenheit vielleicht gar kein unglücklicher Zufall gewesen war? Dass seine Frau sich nicht im Nebel verlaufen hatte und zufällig einem mörderischen Irren in die Finger gelaufen war, wie es manchmal eben passiert? Dass die Anwesenheit seiner Frau im Park nicht darin begründet lag, dass sie wegen der schlechten Sicht eine falsche Abzweigung genommen hatte? Sondern dass man ihn getäuscht und dass Isabella Marchwood mit Allegra unter einer Decke gesteckt hatte? Es würde seine Wut erklären.
Ich überlegte, dass Isabella von Anfang an einen verängstigten Eindruck gemacht hatte. Geschockt, von Trauer übermannt, erschüttert, all diese Dinge … und all diese Dinge gepaart mit Angst. Sie hatte guten Grund, Benedict zu fürchten – und mich ebenfalls, sollte sie tatsächlich etwas verbergen. Meine Fragen am heutigen Nachmittag hatten ihre Angst unübersehbar geschürt. Doch wovor sonst fürchtete sie sich? Oder vor wem ? Was hatte ich übersehen?
»Die Brosche!«, rief ich aus. Meine Mitreisenden erschraken so sehr, dass sie mich mit fassungslosen Blicken anstarrten.
»Bitte verzeihen Sie«, murmelte ich, und sie wandten sich wieder ihren Zeitungen oder Büchern zu oder der Betrachtung der vorbeifliegenden Landschaft draußen vor dem Fenster, während sie mich gleichzeitig misstrauisch im Auge
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