Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
Gerichtsverhandlung würde Reporter in Scharen anziehen. Es würde nur alles noch viel schlimmer machen …«, wiederholte Isabella Marchwood verzweifelt. Dann presste sie die Lippen zusammen. Nach einem Moment redete sie weiter, diesmal ein wenig ruhiger: »Hat der arme Mr. Benedict denn nicht schon genug gelitten?«
»Denken Sie nicht, er würde noch mehr leiden, wenn er wüsste, dass der Mörder ungestraft davonkommt?«, entgegnete ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Sie verstehen das nicht. Wie können Sie auch?« Sie wandte sich um und ging die Straße hinunter davon.
Ich eilte ihr hinterher. »Miss Marchwood!«, sagte ich drängend. »Bitte glauben Sie mir, ich möchte Ihnen helfen. Wenn es etwas gibt, von dem Sie glauben, dass Sie es meinem Mann oder irgendeinem Polizeibeamten nicht sagen können, aber vielleicht einer anderen Frau, mir zum Beispiel …« Ich verstummte.
Sie hielt inne und fixierte mich mit einem so eisigen Blick, dass ich mich an ihre Freundin Jemima Scott erinnert fühlte. Obwohl – welche Freundin mit einer Kutsche ließ eine andere Frau allein und zu Fuß den Weg zum Bahnhof von Waterloo laufen? Es wäre kein großer Umweg gewesen für Mrs. Scott, und sie hätte Miss Marchwood ohne Weiteres zu sich und Mr. Fawcett in die Kutsche nehmen können.
»Ich habe Ihnen nichts zu sagen. Bitte halten Sie mich nicht länger auf. Ich muss meinen Zug nach Egham erreichen.« Sie zog den Schleier wieder vor ihr Gesicht.
»Aber bis nach Waterloo ist es von hier aus fast einen Kilometer!«, protestierte ich. »Gibt es denn keinen Kutschenstand in der Nähe?«
»Ich bin daran gewöhnt zu laufen«, sagte sie und marschierte erneut in forschem Tempo los.
»Dann erlauben Sie mir und Bessie wenigstens, Sie bis zum Bahnhof zu begleiten. Es ist bereits recht dunkel …«
»Ich brauche Ihre Gesellschaft nicht, Mrs. Ross. Gute Nacht.«
Sie eilte davon, und es war zwecklos, ihr hinterherzurennen und noch länger zu argumentieren.
Bessie und ich machten uns durch die von Gaslaternen erleuchteten Straßen auf den Heimweg. Ich war so sehr in Gedanken versunken, dass ich zusammenschrak, als sie sich mit einer Frage an mich wendete.
»Sie mögen Mr. Fawcett nicht, hab ich recht, Missus?«
»Ich halte Mr. Fawcett für einen Scharlatan«, antwortete ich unverblümt. »Es tut mir leid, wenn ich dir damit Kummer bereite, Bessie, aber es ist nun einmal so. Seine vorgebliche Sache ist zweifellos eine gute. Ich weiß, dass Alkohol und Trunksucht die Ursache für alle möglichen Unglücke und Verbrechen sind. Aber Männer wie er sind schnell darin, sich an eine gute Sache zu heften und sie für ihre eigenen Zwecke auszunutzen. Genau das ist es, was der gute Mr. Fawcett getan hat. Er schadet der guten Sache des Kampfes gegen die Trunkenheit, anstatt ihr zu helfen, und das ist unverzeihlich.«
»Schon komisch«, sagte Bessie. »Ich finde ihn gar nicht mehr so nett wie bis vor Kurzem. Er ist nicht zu Ihnen gekommen und hat mit Ihnen geredet, nicht wahr, Missus? Das war nicht sehr höflich von ihm.«
»Er war viel eifriger darauf bedacht, sich alleine mit Miss Marchwood zu unterhalten, und ich würde eine Menge dafür geben, wenn ich wüsste, was er gesagt hat.«
»Sie ist in Trauer«, sagte Bessie schockiert. »Selbstverständlich wollte er ihr sein Beileid ausdrücken, die richtigen Sachen sagen, Sie wissen schon, was Geistliche zu solchen Zeiten eben sagen.«
»Ich glaube nicht, dass er ein ›Geistlicher‹ ist, wie du es nennst. Es würde mich nicht überraschen, falls er sich selbst zu dieser theologischen Qualifikation verholfen hat, welche auch immer das sein mag. Und ich glaube auch nicht, dass er Miss Marchwood Trost und Unterstützung geben wollte. Wenn du wirklich wissen möchtest, was ich denke, Bessie – meiner Meinung nach ist er erschrocken, dass ein Mitglied seiner Anhängerschaft, sprich Miss Marchwood, in eine Mordermittlung hineingeraten ist. Die Ermittlungen der Polizei gehen in derartigen Fällen sehr weit. Alle möglichen Spuren werden verfolgt. Manche führen in Sackgassen, andere bieten mit Glück neue Hinweise, und wiederum andere bringen Dinge ans Licht, die den Betroffenen unangenehm sind. Mr. Fawcett hat irgendetwas zu verbergen, ganz sicher. Ich sage nicht, dass er etwas mit dem Mord zu tun hat – glaube das nicht, Bessie. Aber wenn ein Mann etwas zu verbergen hat, dann mag er es nicht, wenn Fragen gestellt werden, aus Angst vor dem, was sie möglicherweise ans Licht
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