Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
und packte den Rahmen des geöffneten Fensters, als Mrs. Scott das Fenster gerade nach oben schieben wollte.
»Jemima, ich muss mit Ihnen reden. Bitte!«
Ich sah, wie sich Mrs. Scott nach vorn in Richtung Fenster beugte, und hörte ihre Erwiderung.
»Das ist jetzt nicht der Augenblick, Isabella. Besuchen Sie mich in Clapham. Kutscher, fahren Sie los!«
Die Kutsche mit den beiden Fahrgästen ratterte los, und Miss Marchwood stand wie ein begossener Pudel auf dem Pflaster und starrte hinterher.
»Ein paar Münzen, Lady? Für eine heiße Suppe, gegen die Kälte.«
Ich zuckte zusammen, und Bessie schrie auf. Die Bitte, geäußert mit heiserer Stimme, schien direkt aus dem Boden unter meinen Füßen zu kommen. Zu all den anderen Gerüchen war plötzlich der von ungewaschenem Menschen und schalem Bier hinzugekommen. Was ich für einen Sack mit Abfall gehalten hatte, in den Schatten an der Hauswand und dem rückwärtigen Torbogen, hatte sich in unsere Richtung bewegt und bettelnd eine bleiche, klauenartige Hand ausgestreckt. Weder Bessie noch ich hatten bemerkt, dass ein armer Obdachloser sich den Torbogen als Schlafstätte ausgesucht hatte.
Ich kramte nach ein paar Pennys in meiner Tasche und ließ sie in die dürre Hand fallen. Dann rannte ich mit Bessie dicht auf den Fersen durch den Torbogen zurück auf die Straße und näherte mich der einsamen Gestalt von Miss Marchwood, als diese sich gerade zum Gehen wenden wollte.
Ich rief ihren Namen. »Miss Marchwood! Bitte warten Sie!«
»Ja?«, antwortete sie automatisch, ohne auf meine Bitte einzugehen. Sie setzte sich mit forschen Schritten in Bewegung, eindeutig nicht in der Stimmung für belanglose Unterhaltungen. Ich musste beinahe rennen, um mich neben ihr zu halten, während ich auf das verschleierte Gesicht einredete.
»Mein Name ist Ross. Sie haben meinen Mann kennengelernt. Er ermittelt im Todesfall Ihrer verstorbenen Herrin.«
Bei diesen Worten blieb sie stehen. Sie schlug den Schleier zurück, und ich bemerkte die aufkeimende Panik in ihren schlichten Gesichtszügen, deutlich erkennbar im Licht der Gaslaternen.
»Was wollen Sie?« Ihre Erregung war so heftig, dass der Kneifer von ihrer Nase fiel und an dem schwarzen Seidenband baumelte, mit dem er am Mantelkragen befestigt war.
»Sie müssen sich nicht erschrecken!«, versuchte ich sie zu beruhigen. »Ich wollte eigentlich nur mein Beileid ausdrücken. Es ist ein trauriger Verlust. Eine ganz furchtbare Erfahrung für Sie.«
»Was machen Sie hier?«, fragte sie, indem sie mit dem Kneifer hantierte und ihn zurück auf ihre Nasenwurzel klemmte. Meine Worte des Mitgefühls waren an ihr vorbeigegangen, als hätte ich sie nicht ausgesprochen.
»Ich habe Bessie zu diesem Treffen begleitet. Bessie ist unsere Haushaltshilfe. Wir waren ein wenig weiter hinten, im rückwärtigen Teil des Saals.«
»Bessie, ah, richtig, Bessie …« Isabella Marchwood starrte Bessie unsicher an. »Ja. Sie ist ein sehr gutes Mädchen.«
»Wenn es irgendetwas gibt, womit ich Ihnen helfen kann …«
»Sie?«, rief sie aus. »Nein, nichts. Gar nichts. Niemand kann helfen!«
»Bitte!«, bedrängte ich sie. »Haben Sie doch mehr Vertrauen in die Polizei. Sie wird den Mörder finden.«
»Den Mörder finden?«, kreischte sie und starrte mich erneut aus wilden Augen an. »Wozu soll denn das gut sein? Es bringt die arme Allegra nicht wieder zurück.«
»Nein, selbstverständlich nicht. Aber der Mörder wird vor einem Gericht zur Rechenschaft gezogen und seine Strafe erhalten.«
»Vor einem Gericht?«, kreischte sie. »Wie kann ein Gericht irgendetwas anderes als noch mehr Schaden anrichten? Der Gerichtsraum bis zum Bersten voll mit vulgären Gaffern, jedes grausige Detail enthüllt und der arme Mr. Benedict gezwungen dazusitzen und sich alles anzuhören! Von den Zeitungen erst gar nicht zu reden, als wäre es nicht so schon schlimm genug. Haben Sie gesehen, was die Zeitungen schreiben?«
»Ja, habe ich«, gestand ich. Ich war am Tag zuvor tatsächlich so weit gegangen, eine Abendausgabe eines Blattes zu kaufen, das über den Mord an Allegra Benedict und das Flussphantom berichtete, zusammen mit einer dramatischen Illustration, die eine entsetzt zurückweichende Frau zeigte, während eine Kreatur in einem Leichengewand mit grässlich langen Klauen nach ihr griff. Ich hatte Ben den Artikel gezeigt, als er nach Hause gekommen war, und ich möchte lieber nicht wiedergeben, was er zu dieser Geschichte zu sagen hatte.
»Eine
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