Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
sind am Ende mit unserem Latein. Deswegen muss ich unbedingt mit dem Mädchen reden, das das Phantom schon einmal gesehen hat. Ich muss ganz genau wissen, wie er vorgegangen ist, seinen Modus Operandi …«
»Was soll das schon wieder heißen, eh? Haben Sie ein Wörterbuch verschluckt, oder was?«
»Verzeihung.« Ben lächelte sie zerknirscht an. »Ich meine, ich muss wissen, was er genau macht, nicht nur bei diesem anderen Mädchen, auch was er bei Ihnen getan hat. Sie sagen, er hätte Ihnen die Hände um den Hals gelegt?«
»Allerdings«, sagte Daisy. »Widerlich kalte, klamme Finger hatte er!«
»Er hat nicht versucht, Ihnen eine Schnur um den Hals zu legen?«
»Nein, sag ich doch! Er hatte widerliche kalte Finger, wie von einem Toten!«
»Und dieses andere Mädchen? War es bei ihr genauso?«, wollte Ben wissen.
»Ich denke schon«, sagte Daisy. »Sie müssen sie schon selbst fragen, schätze ich.«
»Und das möchte ich auch«, erinnerte Ben sie.
Bessie stellte die Teetasse mit lautem Klappern vor unserem Gast ab. Daisy schnüffelte, nippte, nickte und goss etwas von der heißen Flüssigkeit in die Untertasse. Dann hob sie die Untertasse an die Lippen und schlürfte genüsslich, während wir warteten. Es war nicht zu übersehen, dass sie den Moment genoss und die Gelegenheit, uns alle auf die Folter zu spannen.
»Nun, Mr. Inspector Ross«, sagte sie zu guter Letzt. »Das klingt ja ganz so, als würden Sie mir endlich glauben, oder wie?«
»Was das Phantom aus der Themse angeht? Ja, Daisy, das tue ich.«
»Weil es eine anständige, ehrbare Lady ermordet hat, schätze ich. Sie wären längst nicht so interessiert, wenn es mich oder jemand anderen wie mich umgebracht hätte, habe ich recht?«
»Nein«, sagte Ben einfach. »Sie haben unrecht.«
Daisy blinzelte. Ihr Verhalten wechselte von sarkastisch zu nachdenklich. »Mensch, wissen Sie was? Ich glaube Ihnen sogar.« Sie zögerte, während sie ihn aufmerksam musterte. »Wenn ich Ihnen alles sage, was ich weiß«, fuhr sie schließlich fort, »würden Sie dann etwas für mich tun?«
»Sie werden für Ihre Zeit bezahlt«, versprach Ben.
Zu unser aller Überraschung, insbesondere Bessies, schüttelte Daisy den Kopf, was die armen, zerbrochenen Federn auf ihrem Hütchen wild tanzen ließ.
»Ich will Ihr Geld gar nicht. Ich möchte, dass Sie jemanden finden. Na ja, Sie müssen sie schließlich finden, wenn Sie mit ihr reden wollen! Das Mädchen, das das Phantom deutlich gesehen hat. Sie heißt Clarrie Brady. Eigentlich heißt sie Clarissa, aber alle rufen sie nur Clarrie.« Daisy verschränkte die Arme und legte sie vor sich auf den Tisch. »Sehen Sie, ich arbeite auf der Südseite des Flusses, gleich um die Ecke des Pubs, vor dem Ihre Frau mich heute Abend gefunden hat. Clarrie hat auf der Nordseite gearbeitet, bis hinauf zu The Strand. Dort gibt es allerdings eine Menge Mädchen, deswegen stand sie meistens näher am Fluss.«
»Weswegen sagen Sie ›stand‹, Daisy?«, fragte Ben scharf. »Wo arbeitet sie jetzt?«
»Das ist es ja«, sagte Daisy. »Seit vorletztem Freitag hat sie niemand mehr gesehen. Als wir uns auf der Brücke begegnet sind am vorletzten Samstagabend, da war ich auf dem Weg nach drüben, um sie zu warnen, dass das Phantom wieder sein Unwesen treibt, und ihr zu sagen, dass ich ihm gerade selbst begegnet war. Aber ich konnte sie nirgends finden. Sie hatte immer noch in ihrem Revier gearbeitet, das wusste ich, weil ich sie erst am Freitagmorgen dort gesehen hatte. Es gibt ein Kaffeegeschäft gleich hinter der Brücke, und dort habe ich sie getroffen. Wir haben einen Kaffee getrunken, bevor wir von der Arbeit nach Hause gegangen sind. Wir haben uns ein wenig unterhalten, weil wir Freundinnen sind. Wir kennen uns, seit wir Kinder waren. Na ja, jedenfalls, seit sie diesem Phantom begegnet ist, seit es direkt vor ihr gestanden hat in seinem Leichengewand, hatte sie eine Heidenangst davor, ihm noch einmal zu begegnen. Sie meinte zu mir, sie sei sicher, dass es wisse, wer sie ist, und dass es speziell auf der Suche nach ihr sei. Sie arbeitet nicht irgendwo anders. Ich hab alle Mädchen gefragt, die ich getroffen habe. Niemand hat sie gesehen.«
Sie schüttelte traurig den Kopf, und mir wurde jetzt erst klar, wie erstaunlich jung sie noch war, kaum älter als unsere Bessie. Ich wollte lieber nicht darüber nachdenken, wie lange sie ihrem gegenwärtigen Gewerbe schon nachging.
»Als Sie mir von Ihrer Freundin erzählt haben, an jenem
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