Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
entwickelten. Doch wie so oft zeigte sich im Unerwarteten ein Hoffnungsschimmer.
»Wir haben ihn, Sir!«, erklärte Morris und stellte zur Abwechslung einmal ein breites Lächeln zur Schau. »Ich habe ihn gefunden, diesen Seymour! Genau wie Sie vermutet haben. Er steht bei der ›Agentur für gehobenes Hauspersonal‹ draußen in Northwood unter Kontrakt.« Morris schnaubte abschätzig. »Man braucht erst gar nicht hinzugehen, wenn man bloß eine Magd sucht. Gouvernanten, Gesellschafterinnen, die besten Kammerzofen, Herrendiener und Butler, das ist es, was man dort bekommt. Wie dem auch sei, Mr. Mortimer Seymour ist inzwischen Butler in einem Haushalt in der Nähe von Newmarket, bei einem Colonel Frey. Ich habe die Adresse hier.« Er winkte mit einem Blatt Papier. »Soll ich zu ihm fahren und mit ihm reden?«
Ich nahm das Blatt entgegen. »The Manor House«, las ich. »Wir müssen uns wahrscheinlich an seinen Herrn wenden, wenn wir mit ihm reden wollen. Besser, wenn ich selbst fahre. Der Colonel wird meinen Dienstrang erkennen.«
Morris nickte. »Sicher, Sir. Sie haben recht. Mich würde man doch nur gleich wieder zur Hintertür schicken.«
»Sie führen diese Ermittlungen offensichtlich per Eisenbahn durch«, brummte Dunn. »Wenn Sie Ihre täglichen Spesen überschreiten, kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen. Das Department verfügt nicht über unbeschränkte Mittel, und die meisten Ihrer Kollegen erledigen ihre Arbeit innerhalb der Stadtgrenzen zu Fuß. Hoffen wir, dass Sie diesmal irgendetwas Stichhaltiges finden.«
Das hoffte ich ebenfalls. Ich hatte reichlich Zeit, um mir eine Strategie zu überlegen, während der Zug mich durch die friedliche ostenglische Landschaft nach Newmarket beförderte. Es war nicht vorherzusehen, wie der Colonel reagieren würde, wenn ein Polizeibeamter vor seiner Haustür auftauchte und einen seiner Bediensteten zu befragen wünschte. Ich wollte nicht, dass Seymour deswegen seine Anstellung verlor. Ich überlegte, dass ich nach meiner Ankunft zunächst mit einer Droschke zu dem Dorf fahren würde, wo der Colonel lebte, und nach meiner Ankunft eine gut gehende Taverne aufsuchen würde oder ein kleines Hotel, falls es eines gab, um dort mein Mittagsmahl zu mir zu nehmen. Ich musste einen Weg finden, auch das in meiner Spesenabrechnung unterzubringen. Der Wirt beziehungsweise die Wirtin oder, falls diese nicht verfügbar waren, der Kellner im Speiseraum oder der Schankjunge konnten mir sicher mehr über einen einheimischen Grundbesitzer erzählen. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.
Auf der Kutschfahrt zu meinem Bestimmungsort wurde mir bewusst, dass ich mich in einer Gegend befand, in der Pferderennen großgeschrieben wurden. Es gab reichlich Hinweise darauf, angefangen bei ganzen Herden von Vollblütern auf den Weiden bis hin zu den Namen der Pubs und Tavernen, die alle in einem mehr oder weniger direkten Zusammenhang mit dem Turf zu stehen schienen. Die Taverne, in der ich schließlich landete, war ein großes, komfortables Lokal mit dem Namen »Finishing Post«, Zielpfosten. Sehr komisch, dachte ich. Im Kamin brannte ein prasselndes Feuer, und die Speisekarte bot eine Auswahl Schweinekoteletts, Schnitzel oder Lammragout. Ich entschied mich für das Ragout, und kurze Zeit später kam der noch hübsch brodelnde Eintopf, in dem zwischen dem Fleisch Karotten, gelbe Rüben und silbrige Perlgraupen schwappten. Der Duft war betörend, und mir lief das Wasser im Mund zusammen.
»Alles in Bier gekocht, Sir«, versprach der Kellner, als er einen großzügig gefüllten Teller vor mir abstellte.
Ich begann ordentlich zu futtern, wie die beiden anderen Gäste, zwei Burschen mit grell karierten Jacken, deren Unterhaltung für mich unverständlich war. Ich habe mich nie für Pferderennen interessiert. Glücklicherweise waren die beiden vor mir fertig und gingen, sodass ich allein war, als der Kellner mir den Kaffee brachte.
»Können Sie mir vielleicht verraten, wie ich zu Manor House komme, dem Wohnsitz von Colonel Frey?«, erkundigte ich mich.
Die Miene des Kellners hellte sich auf. Er beugte sich verschwörerisch vor und flüsterte mit gesenkter Stimme, obwohl wir inzwischen alleine waren: »Sie müssen der Polizeibeamte vom Scotland Yard sein, Sir.«
Ich machte mir nicht die Mühe, ihn zu fragen, woran er mich als Polizeibeamten erkannt hatte, auch wenn das hier draußen auf dem Land überraschender kam als beispielsweise im Conquering Hero in London, als Jed Sparrow mich
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