Ein Mund voll Glück
Waschbecken im
Ordinationsraum hängen vier oder fünf weiße Mäntel. Einer davon wurde in der Wäscherei vertauscht und ist mir drei Nummern zu klein. Würden Sie ihn anziehen und — falls ich mit dem ollen Araberscheich zurückkomme — meine Sprechstundenhilfe mimen? Sie verstehen, es macht sich besser, wenn die Praxis auch personell ein wenig aufwendiger wirkt...«
»Ich verstehe...«, murmelte sie und zog die Nase kraus.
»Sie brauchen natürlich nichts zu tun!« sagte er rasch, um jeden Einwand zu überbrücken. »Was Sie übernehmen, ist nichts weiter als eine Repräsentationsrolle.«
»Also schön, Herr Doktor, ich spiele mit. Soll ich vor dem Hause auf Sie warten?«
Er fischte einen Ring mit drei Schlüsseln aus der Hosentasche und drückte ihn ihr in die Hand: »Sie werden die richtigen schon finden, Fräulein Faber, der größte sperrt die Wohnungstür, der kleinere die Praxis und der dritte das Labor. Ich muß jetzt gehen. In einer halben Stunde bin ich sicherlich wieder zurück.«
Er stürzte davon und lief über die Straße zu einem Taxistand, der in unmittelbarer Nähe des Hauses lag. Fräulein Faber, die in der Eile der Begegnung kaum zum Denken gekommen war, schaute ihm bewundernd nach. So jung — und schon solch eine Praxis! Ein arabischer Fürst! Respekt, da würde es wieder einmal in der Kasse klingeln! Sie spielte mit dem Schlüsselbund, den der Doktor ihr anvertraut hatte, und betrachtete ihn nachdenklich, als käme ihr erst jetzt zu Bewußtsein, daß sie sich da auf eine reichlich verrückte Geschichte eingelassen hatte. Aber schließlich war sie von dem netten Doktor so liebenswürdig behandelt worden, daß sie ihm den kleinen Dienst, den er von ihr verlangte, fast schuldig war. Trotzdem blieb ein Gefühl des Unbehagens in ihr zurück, als sie sich vom Lift ins fünfte Stockwerk befördern ließ.
Dr. Werner Golling hatte sich inzwischen in die Polster des Taxis geworfen und fuhr mit dem Gefühl, in ein Abenteuer geraten zu sein, dem Ziel entgegen. Der Gedanke, daß die Behandlung eines Mannes, der sich mit Hoheit titulieren ließ, unter Umständen recht lukrativ sein könnte, kam ihm erst unterwegs. Was konnte man einem Emir abknöpfen? Und mit wem war er zu vergleichen, wenn man europäische Verhältnisse zum Maßstab nahm? Emir, das war doch wohl so etwas wie ein regierender Fürst, nicht gerade der Schah von Persien, aber sicherlich soviel wie etwa der Rainer von Monaco. Und solche Fälle standen ganz gewiß außerhalb der üblichen Behandlungstarife...
Der Portier, der grün uniformiert und goldbetreßt wie ein exotischer Admiral den Doktor vor dem Hotel erwartete, rief dem Chauffeur zu, er möge sich die Fahrkosten von der Kasse in der Rezeption abholen, und lief dem Doktor mit einer Eile, als könne das Hotel in der nächsten Sekunde einstürzen, in die Halle voran. Und dort wartete in Cut und silbergrauer Weste Herr Steinrück, der Hoteldirektor, wischte sich mit einem blütenzarten Tuch, das er aus der Manschette des linken Ärmels zog, die Stirn und schien vor einem nervösen Zusammenbruch zu stehen.
»Sie ahnen nicht, wie dankbar ich Ihnen bin, daß Sie meinem Notruf so schnell gefolgt sind, Herr Doktor!«
»Was ist denn eigentlich los? Setzten die Schmerzen plötzlich ein, oder leidet der Emir schon länger?«
Herr Steinrück blickte um sich, als handle es sich um ein Staatsgeheimnis: »Eine Tragödie, Herr Doktor, eine Tragödie für das Hotel. Seine Hoheit der Emir biß beim Verzehren eines mit Kirschen gefüllten Omeletts auf einen Kirschkern und brach sich einen Zahn aus!«
»Das kann doch passieren.«
»So etwas darf nicht passieren! Jedenfalls nicht in diesem Hotel!«
»Na schön, ich werde mir den Schaden einmal ansehen. Aber was dann, wenn ich die Behandlung nicht ambulant durchführen kann, was ich bei der Sachlage befürchte?«
»Das weiß ich auch nicht«, seufzte Herr Steinrück ratlos und führte den Doktor über die breite, rot ausgelegte Treppe zum ersten Stockwerk empor. Auf dem Mittelabsatz zupfte der Doktor den Hotelier am Cut: »Noch eine Frage, Herr Steinrück — wie steht’s bei dem hohen Herrn hier?« und er rieb den Daumen gegen den Zeigefinger.
Herr Steinrück schlug die Augen gen Himmel: »Lesen Sie denn keine Zeitungen, Herr Doktor? Der Emir von Khoranshar gehört zu den reichsten Männern der Welt. Die Wüste am Persischen Golf, in der er in einem Palast aus rosa Marmor residiert und einen Harem von dreihundert Frauen hält, von denen
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