Ein Mund voll Glück
daß du es noch nicht gelesen hast!«
»Ich habe keine Ahnung!«
»Ein Ölscheich als Patient! Mann, das ist doch so gut wie sechs Richtige im Lotto!«
»Sieh dir die Schweinerei an«, sagte Werner Golling und schleuderte den Daumen in Richtung des Behandlungsstuhles, »weil der Emir mit seinem dicken Hintern nicht in den Stuhl hineinkam, haben seine Banditen von Leibwächtern ruckzuck die Lehnen abgebrochen.«
Er nahm Herrn Seehuber die letzte Ausgabe der Nachtpost ab und sah unter der Schlagzeile >Ölmilliardär bei Münchner Zahnarzt< drei Fotos aus jenem Film, den Herrn Wurlitz am Samstagnachmittag vor dem Hause geschossen hatte. Eines zeigte nur die wild blickenden Männer der Leibwache, aber auf den beiden anderen stand er dünn und schlank wie ein Filigranmännchen neben der Kolossalfigur des Emirs und Herrschers aus dem Morgenland. Der Text unter den Bildern aber lautete:
»Wie zu Anfang der Woche gemeldet, hat der Emir von Khoranshar mit Gefolge und Harem im Grand-Hotel eine Etage bezogen. Das Emirat von Khoranshar, nur einige hundert Quadratkilometer groß und in der Nähe des Persischen Golfes gelegen, besitzt Ölvorkommen von unschätzbarem Wert. Das Milliardenvermögen des Emirs vermehrt sich in jeder Stunde des Vierundzwanzigstundentages um rund 20 000 Dollar. Es ist anzunehmen, daß die Vermögensverhältnisse des jungen Münchner Zahnarztes Dr. Werner Golling, der seine Praxis vor einigen Monaten eröffnet hat, bedeutend bescheidener sind. Um so mehr wird es der junge Doktor der Zahnheilkunde zu schätzen wissen, daß er nunmehr einen der reichsten Männer der Welt zu seinen Patienten zählen darf. Der Witz dabei ist, daß dieser Fall eine Illustration zum Sprichwort >Ohne Fleiß kein Preis< darstellt, denn wie wir von der Hotelleitung erfuhren, war Dr. Golling der einzige Zahnarzt, den der schmerzgeplagte hohe Hotelgast am Samstagnachmittag erreichen konnte.«
»Hofzahnarzt Se. Hoheit des Emirs von Khoranshar!« sagte Alois Seehuber halb spöttisch und halb respektvoll. »Ich habe nämlich nachgeschlagen. Emir ist tatsächlich so was wie ein Stück Fürst mit dem Unterschied, daß er nicht nur mehr Pinkepinke besitzt, sondern bei sich daheim auch mehr zu sagen hat als der Rainier von Monaco oder der Großherzog von Luxemburg.«
»Hat er«, bestätigte Werner Golling, »denn er hat geschworen, den Kerlen die Köpfe abschlagen zu lassen, die ihm bisher seine Zähne gezogen haben.«
»Da ist man denn wieder richtig froh, in einer Demokratie zu leben«, meinte Dr. Seehuber. »Was wirst du dem Emir für die Behandlung abknöpfen?«
»Einiges...«, murmelte Werner Golling, ohne sich auf nähere Zahlenangaben festzulegen.
»Beneidenswerter Glückspilz«, seufzte Herr Seehuber, »ich werde von dem Prozeß, an dem ich mich gesundstoßen kann, wohl bis an mein Lebensende träumen.«
»Schwing dich, alter Freund, und träum in deiner Kanzlei weiter. Ich schreibe derweil die Liquidation und bringe sie hernach persönlich ins Hotel. Außerdem macht es sich gut, wenn ich mich um den hohen Herrn ein wenig kümmere.«
»Das ist der Unterschied zwischen Barmer Ersatzkasse und Privat...«
»Genau!« grinste der Doktor und schob Alois Seehuber zur Tür hinaus. Die naheliegende Idee, dem Emir einen Höflichkeitsbesuch abzustatten, war ihm tatsächlich erst im Gespräch mit seinem Freund Seehuber gekommen. Er beeilte sich, die Rechnung aufzusetzen, und machte sich auf den Weg zum Grand-Hotel.
Herr Steinrück hielt sich gerade in der Rezeption auf und eilte dem Doktor fast so stürmisch wie am Samstagnachmittag entgegen, als es galt, den tobenden Emir von seinen Schmerzen zu befreien und die Hoteleinrichtung zu retten.
»Seit einer Viertelstunde versuche ich Sie zu erreichen!«
»Seit einer Viertelstunde bin ich zu Ihnen unterwegs. Was gibt’s, wo brennt’s?«
»Der Emir...«
»Schmerzen?«
»Keineswegs, es geht ihm ausgezeichnet. Aber er behauptet, Sie hätten ihm neue Zähne versprochen...«
»Das stimmt, aber ich habe ihm auch ausdrücklich klargemacht, daß der Kiefer völlig verheilt sein muß, ehe ich daran denken kann, ihm neue Beißerchen zu verpassen.«
»Dann scheinen Sie sich nicht klar genug ausgedrückt zu haben, Doktor. Vor einer halben Stunde ließ der hohe Herr mich rufen und befahl mir, ein Zimmer räumen zu lassen und darin eine komplette Zahnstation einzurichten, genau die gleiche, die er in Ihrer Praxis gesehen hat.«
»Der Spaß kostet ihn ohne Röntgenkugel dreißig bis
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