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Ein Mund voll Glück

Ein Mund voll Glück

Titel: Ein Mund voll Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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habe ich fünf Zimmer mit Parkett und einen endlosen Korridor, der mit Linoleum ausgelegt ist.« Ihre Wangen waren von der Anstrengung leicht gerötet, und der Doktor fand, daß sie sehr, sehr hübsch aussah.
    »Trainiert oder nicht, jetzt sind Sie Patientin, und nun klettern Sie schon auf das Stühlchen! Ich wasche mir nur noch die Hände.«
    Er ging zum Waschbecken und bearbeitete seine Finger mit der Bürste. »Wenn man es recht bedenkt, dann habe ich diesen Ölscheich nur Ihnen zu verdanken, Fräulein Faber...«
    »Wieso mir?«
    »Nun, hätte ich Sie nicht zufällig auf Samstag in die Praxis bestellt, dann hätte mich der Anruf aus dem Hotel nie erreicht, und der Emir wäre mir durch die Lappen gegangen.«
    »Und wenn Hassan hält, was er versprochen hat, dann sind Sie in den nächsten Tagen ein reicher Mann.«
    Er sog die Luft zischend durch die Zähne und wiegte den Kopf hin und her: »Mir ist der Gedanke äußerst peinlich, mit diesem Gauner Kippe zu machen. Und überhaupt, fünf Mille pro Extraktion! Wie stellen Sie sich das vor?«
    »Wundervoll!« antwortete sie munter. »Und ich an Ihrer Stelle hätte dem Dicken noch ein paar Zähne mehr gezogen.«
    »Ich bin soweit, Fräulein Faber«, sagte der Doktor und trat an den Stuhl heran, »und ich fürchte, daß Ihnen für die nächsten zehn Minuten solche Scherze auf fremder Leute Kosten und Zähne vergehen werden.«
    Er entfernte die provisorische Füllung, griff zum Bohrer und sah bald, daß er die Behandlung noch heute beenden konnte. Schon im Begriff, die Porzellanfüllung anzurühren, die er zur endgültigen Füllung benötigte, stellte er die kleine Glaspalette wieder weg. Statt dessen griff er zu dem Fläschchen mit der antiseptischen Lösung und bereitete eine neue Einlage vor.
    »Werden Sie den Zahn retten können, Herr Doktor?« fragte Fräulein Faber ein wenig ängstlich.
    »Ich bin fest davon überzeugt«, antwortete er zuversichtlich, »aber zur Vorsicht will ich doch noch eine zweite Einlage machen.« Er drückte das Antiseptikum mit einer winzigen Spachtel in die Bohrstelle hinein und verschloß sie wieder mit Zement. »Haben Sie am Mittwoch Zeit, Fräulein Faber?«
    »Ich habe immer Zeit...«
    »Gut, dann sehen wir uns also am Mittwoch nachmittag gegen drei Uhr wieder...«, er zögerte und hüstelte nervös, »es sei denn, Sie würden mir erlauben, Sie in der Zwischenzeit wiederzusehen und für das, was Sie mir heute Gutes getan haben, zum Essen auszuführen...«
    Fräulein Faber richtete sich auf. Da der Operationsstuhl auf Arbeitshöhe eingestellt war, wuchs sie über den Doktor empor. »Gern, Herr Doktor, wenn Sie dazu auch Ihre Verlobte einladen!«
    »Meine Verlobte...«, stotterte er, »ach du liebe Güte, das ist nicht meine Verlobte, sondern ich bin ihr Verlobter, aber das ist eine äußerst komplizierte Geschichte...«
    »Das Gefühl habe ich allerdings auch!« sagte Fräulein Faber und sprang, da er keine Anstalten machte, den Stuhl zu senken, kurzerhand von ihm herab. Der Doktor hatte plötzlich das Gefühl, im Raum herrsche die Temperatur eines auf hohe Minusgrade eingestellten Kühlschrankes.
    »Ich habe übrigens vorgestern eine Kurzgeschichte verkauft...«
    »Meinen Glückwunsch!«
    »Für siebzig Mark...«
    »Ich weiß genau, daß Sie als Schriftstellerin eines Tages Geld scheffeln werden wie die Agatha Christie mit ihren Krimis!«
    Der Blick, den sie ihm zuwarf, war schräg und kühl. Sie öffnete ihr Handtäschchen und kramte darin herum: »Ich weiß nicht, was die Behandlung kosten wird, Herr Doktor, auf alle Fälle möchte ich eine Vorauszahlung von zwanzig Mark leisten.«
    »Stecken Sie sofort das Geld ein, Fräulein Faber«, sagte der Doktor grimmig und lief rot an, »oder ich mache Ihnen eine Gegenrechnung auf, was ich Ihnen dafür schulde, daß Sie mir den Nachmittag geopfert haben. Das ergibt in Naturalien mindestens eine Wurzelresektion und eine Jackettkrone! Ja, ich stehe tief in Ihrer Kreide!«
    »Können Sie sich diese Großzügigkeit auch leisten, Herr Doktor?« fragte sie und errötete plötzlich verlegen — und er wußte im gleichen Augenblick, daß sie sein Spiel von der gutgehenden Praxis durchschaut hatte und ihn für einen armen Hund hielt, genauso arm wie sie selber es war.
    »Sie müssen wissen«, stammelte er, »daß ich den Laden erst vor einem Vierteljahr aufgemacht habe und daß er noch miserabler geht, als ich es mir in den schlimmsten Angstträumen ausgemalt habe.«
    »Das ist doch nicht Ihr Ernst!«

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