Ein Mund voll Glück
vierzig Mille!«
»Herr Doktor«, rief Herr Steinrück und rang verzweifelt die Hände, »wenn Sie keinen anderen Einwand als die Kostenfrage vorzubringen haben, dann läßt der Emir einen Flügel des Hotels als Zahnklinik einrichten!«
»Wie soll ich ihn daran hindern, sich komplett zu installieren?« grinste der Doktor.
»Sie müssen ihm klarmachen, daß solch eine Installation Monate in Anspruch nimmt und daß es am Ort überhaupt keine Firma gibt, die so etwas erledigen könnte!«
»Dann nehmen Sie mal das Branchenverzeichnis zur Hand...«
»Ich werde mich hüten, dem Emir zu verraten, daß es so etwas gibt!«
»Hoffentlich kommt unser Freund Hassan nicht auf die Idee, dieses Geschäft in die Wege zu leiten.«
»Mir zittern die Knie, Doktor!«
»Ich werde mein möglichstes tun, Herr Steinrück. Übrigens habe ich meine Rechnung dabei...«
»Dann legen Sie sie dem Emir vor, er wird seinem Finanzwesir befehlen, Ihnen einen Scheck auszustellen. Kommen Sie, ich führe Sie zu ihm.«
Dieses Mal wurde der Doktor von den auf dem Korridor postierten Wachen mit tiefen Salaams empfangen, dem Emir gemeldet und unverzüglich vorgelassen. Der Emir von Khoranshar saß auf einem resedagrünen Sofa, dessen Sitzfläche er mit seiner gewaltigen Körperfülle fast völlig beanspruchte. Auf einem kostbar eingelegten niedrigen Taburett summte eine silberne Kaffeemaschine. Drei Herren des Hofstaates hockten auf bunten Ledersitzkissen vor ihm um das Taburett herum, schlürften aus winzigen Täßchen tintenschwarzen Kaffee und delektierten sich an Marzipankonfekt und Petit fours, die auf suppentellergroßen Silberschüsseln aufgehäuft lagen. Der Doktor verspürte beim Anblick des Zuckerzeugs ein Ziehen in den Zähnen.
Hassan stand in ehrerbietiger Haltung hinter seinem Herrn und tat, als verdolmetsche er die Worte, die dieser an den Doktor richtete. Wenn der Emir geahnt hätte, was sich sein Untertan an Frechheit herausnahm, das Schwert der Gerechtigkeit wäre an Ort und Stelle in Aktion getreten und hätte den respektlosen jungen Mann für ewig stumm gemacht.
»Willkommen, Doktor«, sagte Hassan in feierlichem Ton, »der Dicke ist von Ihnen hellauf begeistert und träumt seit gestern von nichts anderem, als sich hier eine Kopie Ihrer Praxis einzurichten. Sie müssen ihm das unter allen Umständen ausreden. Mir blutet das Herz, denn mir entgeht das Geschäft meines Lebens, aber meine Zähne sind mir lieber. Zwei von den Scheichen, die hier sitzen, sind Brüder des Emirs. Er hat sie mitgenommen, weil er ihnen nicht über den Weg traut. Auch sie zittern um Zähne und Leben. Also kurz und gut, reden Sie dem Emir den Blödsinn aus dem Kopf. Die Brüder des Emirs werden sich erkenntlich zeigen.«
Der Doktor verneigte sich tief: »Hören Sie, Freundchen«, sagte er mit heiterer Miene, »wie Sie Ihren Chef übers Ohr hauen und was Sie mit den Brüdern des Emirs verabredet haben, ist mir völlig wurscht. Aber wenn Sie nicht jedes Wort, das ich zu sagen habe, dem Emir haargenau übersetzen, dann besorge ich mir im Verlauf von zwei Stunden einen privaten Dolmetscher und lasse Sie in die Luft gehen.«
»Warum so ungemütlich?«
»Weil Sie es ein bißchen zu weit treiben, mein Freund! Sagen Sie jetzt dem Emir, daß ich mir ansehen möchte, was sein Mund macht. Davon hängt es nämlich ab, wann ich die Behandlung fortsetzen kann.« Er trat an den Emir heran und bat ihn mit einer ermunternden Geste, sich für die Untersuchung bereit zu machen.
»Bringen Sie dem Emir ein Glas Wasser und sagen Sie ihm, er möge geruhen, sich den Mund zu spülen. Ich arbeite nicht gern in Marzipan und Schokolade.«
Hassan tat, was der Doktor ihm auftrug, und auch der Emir fügte sich des Doktors Wünschen. Das Wasser spie er kurzerhand hinter sich. Der Doktor schob die Oberlippe des Emirs mit zwei Fingern empor und betrachtete eingehend sein Werk. Die Wunden hatten sich recht ordentlich geschlossen, was beruhigend war, denn bei der Fettleibigkeit des Patienten war ein beginnender oder sogar fortgeschrittener Diabetes nicht auszuschließen.
»Sehr schön, Hoheit, der Heilungsprozeß macht gute Fortschritte. Wie lange gedenken sich Eure Hoheit in München aufzuhalten?«
Der Emir schob sich ein mit rosigem Zuckerguß überzogenes Petit four in den Mund, nahm einen Schluck Kaffee und kaute genüßlich: »Was soll die Frage?«
»Ich kann die Behandlung erst dann fortsetzen, wenn die Kieferschwellung völlig zurückgegangen ist.«
Der Emir stampfte mit
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