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Ein Mund voll Glück

Ein Mund voll Glück

Titel: Ein Mund voll Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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unangenehmen Lage herausgeholfen haben, werde ich mich, wenn Sie zustimmen, bei Ihnen revanchieren. Schicken Sie Ihre Liquidation an die Geschäftsleitung des Hotels, und ich erledige die Angelegenheit für Sie. Dann brauchen Sie Ihrem Geld nicht persönlich nachzulaufen. Recht so?«
    »Sie nehmen mir eine Last von der Seele...«
    »Dann warte ich also auf Ihr Schreiben, Doktor, und nun leben Sie wohl.«
    Er hatte den eleganten Herrn Steinrück für einen Fatzke gehalten und tat ihm nun innerlich Abbitte. Jetzt bereitete ihm nur noch die Höhe der Summe Kopfschmerzen, die er dem Emir abnehmen konnte. Er erinnerte sich sagenhafter Honorare, die berühmte Chirurgen gekrönten Häuptern abgeknöpft hatten, aber schließlich hieß er nicht Sauerbruch, und dann konnte man auch drei gezogene Zähne wohl nicht mit einer Magenresektion oder mit einer komplizierten Operation an der Gallenblase vergleichen. Vielleicht war Onkel Paul, der von Geld und Geschäften mehr verstand als er, für dieses Thema der richtige Gesprächspartner. Aber nicht mehr heute.
    Die Uhr ging auf halb sieben, als er die Praxis endlich zusperren konnte. Wahrscheinlich war er der einzige Mensch, der sich um diese Zeit noch im Hause befand. Nach allen Aufregungen, die der Tag gebracht hatte, verspürte er einen rechtschaffenen Hunger und freute sich darauf, den Durst mit einem prickelnden Weizenbier zu löschen. Außerdem empfand er das dringende Bedürfnis, in aller Ruhe über gewisse Dinge nachzudenken, in die er hineingeschlittert war, ohne sie recht ernst zu nehmen. Tatsächlich aber zog diese blödsinnige Verlobung, zu der er sich hatte beschwatzen lassen, Folgen nach sich, welche über die Belästigungen hinausgingen, die er bisher in Kauf genommen hatte, um Hannelore Danner zu ihrem Glück zu verhelfen. Mochte sie das Spiel von sich aus noch eine Zeitlang weitertreiben, er zog den Ring vom Finger und ließ ihn in der Hosentasche verschwinden, fest entschlossen, der jungen Dame bei der nächsten Gelegenheit zu eröffnen, daß sie das Stück ohne seine Mithilfe zu Ende bringen müsse. Allein dieser Entschluß belebte seine Stimmung so sehr, daß er diesen Abend — an dem ihn übrigens kein Notruf aus dem Grand-Hotel erreichte — und den folgenden Sonntag mit dem Gefühl verbrachte, eine Haut abgestreift zu haben, die ihn allzulange beengt und in seiner Bewegungsfreiheit gehemmt hatte. Er fuhr am Sonntag in aller Herrgottsfrühe über Wasserburg und Obing an den Chiemsee, badete in der Hirschauer Bucht, ließ sich in Hagenau beim Stephan gebackene Renken schmecken und kehrte erst spät in der Nacht nach München zurück.
    Vor Tatendrang berstend, schloß er seine Praxis am Montag vormittag um neun Uhr auf. Um zehn schellte es zweimal. Es war der Bote mit dem Lesezirkel. Um halb elf zog er einem brüllenden kleinen Mädchen einen Milchzahn, den die Mama daheim mit der altbewährten Hausmannsmethode »Bindfaden und Türklinke« nur zur Hälfte herausgebracht hatte. Um elf erschien eine alte Dame, um sich die Klammern ihrer Prothese etwas fester biegen zu lassen, und nachdem sie gegangen war, läutete das Telefon, und die klagende Stimme, die an sein Ohr drang, gehörte Tante Hedi...
    »Und das muß man aus der Zeitung erfahren, Werner!«
    »Was denn, Tante Hedi? Ich verstehe kein Wort...«
    »Also höre einmal! Du und der Emir von Chorassan auf der ersten Seite der Nachtpost...!«
    »Khoranshar, Tante Hedi, nicht Chorassan! Khoranshar produziert Öl, und aus Chorassan kommen, soviel ich weiß, nur Teppiche...«
    »Das ist doch egal! Aber daß du uns den Emir einfach unterschlagen hast...!«
    »Ohne jede Absicht! Am Samstag kam ich zu spät heim, um es euch noch erzählen zu können, und gestern war ich den ganzen Tag am Chiemsee.«
    »... einen der reichsten Männer der Welt!«
    »Wer behauptet das?«
    »Die Zeitung, wer sonst? Und diese Zeitungsleute können sich so etwas ja nicht aus den Pfoten saugen.«
    Er hörte, daß die Tür des Wartezimmers geöffnet wurde. »Entschuldige, Tante Hedi, ich habe gerade einen Patienten auf dem Stuhl. Zum Mittagessen bin ich daheim. Dann sollst du alles hören.« Er hängte ein und drehte sich um. In der Tür stand der Rechtsanwalt Dr. Alois Seehuber und schwenkte eine Zeitung wie eine Fahne.
    »Mann, Werner, Freund!« schrie er. »Weshalb knallen hier nicht die Korken gegen die Decke? Wo steht das kalte Büfett?«
    »Halt die Klappe und gib das Blatt schon her?«
    »Du wirst mir doch nicht weismachen wollen,

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