Ein Mund voll Glück
liefe sie davon. Er schaute ihr lange nach. Aber sie drehte sich nicht um.
Er atmete tief durch. Diese Geschichte lag nun also hinter ihm. Er fühlte sich erleichtert, aber nicht eigentlich froh. Er hoffte für Hannelore, daß die verbogene Geschichte mit Herrn Sichler doch noch ein gutes Ende finden würde. Und da waren auch noch Tante Hedi und Onkel Berwanger. Es würde nicht ganz einfach sein, ihnen einen plausiblen Grund aufzutischen, warum die Verlobung mit der Tochter des Schwanenbräu in die Brüche gegangen war. Nun, das mußte ja nicht heute und auch nicht morgen geschehen, und vielleicht brachte eine gute Stunde ihm einen guten Einfall.
8
Den nächsten Tag behielten viele Münchner in ungutem Gedenken. Nach einer tropischen, feuchtwarmen Nacht kletterte das Thermometer schon in den frühen Morgenstunden auf zweiunddreißig Grad Celsius. Und am Nachmittag entlud sich ein Gewitter über der Stadt mit wahren Wolkenbrüchen, die die Straßen in Sturzbäche verwandelten und zahllose Keller unter Wasser setzten. Auch Werner Golling behielt den Tag im Gedächtnis, allerdings aus anderen als meteorologischen Gründen.
Kurz nach neun Uhr, bald nachdem die Zentralbank ihre durch schwere Gitter gesicherten Pforten geöffnet hatte, erreichte Herrn Zerrgibel, den Direktor der Bank, ein Anruf aus dem Grand-Hotel. Es war kein Geringerer als der Emir von Khoranshar, der sich von seinem Dolmetscher Hassan mit dem Bankdirektor verbinden ließ und dem Chef der Zentralbank durch Hassan mitteilte, daß er seinen Aufenthalt in München zu beenden gedenke und sein Konto bei der Bank zu löschen wünschte. Nicht durch Überweisung auf eines seiner Konten, deren er bei anderen Banken in anderen deutschen Städten ein halbes Dutzend angelegt habe, sonder er wünsche, daß man ihm sein Zentralbank-Konto bar aushändige.
Nach den Unterlagen und Auszügen, die sich der Chef der Zentralbank vorlegen ließ, handelte es sich um 2 263 447 DM — zwei Millionen zweihundertdreiundsechzigtausend und vierhundertsiebenundvierzig Mark —, eine Summe, die erst aus den Tresoren der Bank herauf geholt werden mußte. Der Emir von Khoranshar schien nicht viel Verständnis dafür zu besitzen, daß solch eine Lappalie den Bankleuten Umstände zu bereiten schien, aber er erklärte sich nach kurzem Hin und Her damit einverstanden, daß das Geld nach zwei Stunden, um elf Uhr, zu seiner Verfügung stände. Der Direktor versicherte dem Emir, dem man natürlich nicht zumuten könne, sich das Geld wie irgendein gewöhnlicher Bankkunde vom Schalter abzuholen, daß es ihm eine Ehre sein werde, den hohen Herrn in seinem Privatbüro zu empfangen und persönlich zu bedienen. Hassan verdolmetschte diese Botschaft seinem Gebieter, und die Rachenlaute des Emirs klangen so sanft durchs Telefon, daß Direktor Zerrgibel keinen Zweifel daran haben konnte, daß sein Vorschlag die Billigung des Herrschers aus dem Morgenland gefunden habe. Zum Schluß des Gesprächs ließ der Emir dem Direktor mitteilen, daß er für seine Wagen freie Auffahrt vor der Bank zu haben wünsche, da er in Begleitung seines für das Finanzwesen von Khoranshar zuständigen Wesirs Abdul Achmed und seiner Leibwache Vorfahren werde. Der Chefportier erhielt entsprechende Anweisungen und ließ sich zwei Bankboten zuweisen, mit deren Hilfe er dafür sorgte, daß die Rampe vor dem Portal der Bank tatsächlich freiblieb. Die Aufgabe wäre den drei Männern kaum gelungen, wenn sie nicht von zwei Polizeibeamten unterstützt worden wären, die — als die Uhr auf elf ging — eine durch dieses Aufgebot neugierig gewordene Menge weiterscheuchten.
Mit der für Könige und sonstige Potentaten sprichwörtlichen Pünktlichkeit rollte der dieses Mal nur aus zwei Luxuslimousinen bestehende Konvoi des Emirs vor. Die Spitze bildeten wieder einmal vier malerisch gekleidete und mit schweren Krummsäbeln bewaffnete Trabanten, die vor dem Portal eine Gasse bildeten, durch die ihr ungeheuerlich beleibter Gebieter, von seinem Finanzminister und dem Dolmetscher Hassan gestützt, würdevoll hindurchschritt und im Gebäude der Zentralbank verschwand. Zwei Männer seiner Wache blieben bei den Wagen zurück, während die beiden anderen dem Emir in die Schalterhalle folgten und ihn, wild um sich blickend, umkreisten, bereit, sich für ihn in Stücke hauen zu lassen oder in Stücke zu hauen, was ihren Herrn gefährden sollte.
Einer der Subdirektoren der Bank schritt links seitlich voran, um den hohen Herrn unter
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