Ein Mund voll Glück
worden.«
»Aber Onkel Paul, das kann doch nur ein Irrtum sein!«
»Kein Irrtum, mein Lieber! Ich habe Direktor Zerrgibel, den ich seit vielen Jahren persönlich gut kenne, vor fünf Minuten angerufen. Er bekam heute vormittag um neun Uhr vom Emir Order, das Gesamtkonto auszuzahlen, und hat es dem Emir, der mit großem Gefolge bei ihm anrückte, vor einer halben Stunde in seinem Büro persönlich übergeben. Der Emir hat München inzwischen von Riem aus verlassen. Das war’s, was ich dir sagen wollte. Ich habe es eilig, mein Junge, ich müßte längst auf der Börse sein. Zufällig lief mir unser Bote über den Weg und brachte den Scheck von der Zentralbank zurück.«
»Danke für den Anruf, Onkel Paul. Ich frage gleich beim Hotel an, was da los ist. Es kann sich nur um einen Irrtum handeln. Bis später...«
»Dein Wort in Gottes Ohr!«
Drüben hängte Herr Berwanger und hier der Doktor den Hörer auf. Was für ein Blödsinn! Er kannte den Burschen, der in der Firma Berwanger die Botengänge erledigte. Ein Kirchenlicht war er wahrhaftig nicht. Nun ja, sonst wäre er ja auch nicht Faktotum, sondern Prokurist der Firma geworden. Aber man mußte auch wohl Herrn Steinrück anläuten... Er wählte die Nummer des Grand-Hotels und bekam Herrn Steinrück sofort an den Apparat. Herr Steinrück vernahm erheitert, was der Doktor ihm vom Anruf seines Onkels und von dem ungedeckten Scheck erzählte, und er lachte herzlich, als er hörte, daß der Emir von Khoranshar mit Gefolge und Harem das Grand-Hotel verlassen habe und sich auf dem Rückflug an den Persischen Golf befände.
»Beruhigen Sie Ihren Herrn Onkel und berichten Sie ihm, daß der Emir und die Herren seiner näheren Umgebung bei bestem Appetit gerade dabei sind, einige Dutzend Fasanenbrüstchen auf Champagnerkraut zu sich zu nehmen.«
»Verehrter Herr Steinrück, was der Chef der Zentralbank Herrn Berwanger — der ihn übrigens seit Jahren persönlich kennt — erzählt hat, kann er doch nicht geträumt haben!«
»Verehrtester Herr Doktor, ich versichere Ihnen ehrenwörtlich, daß weder der Emir noch einer seiner Herren das Hotel heute vormittag auch nur für Minuten verlassen hat!«
»Jetzt verstehe ich nichts mehr. Würden Sie denn noch so freundlich sein, sich bei der Zentralbank zu erkundigen...?«
Herr Steinrück seufzte tief auf: »Lieber Doktor, ich blamiere mich höchst ungern, und außerdem haben die Banken von zwölf bis halb drei Uhr Mittagspause. Beunruhigen Sie sich doch nicht wegen Ihres Schecks, es kann sich nur um einen Irrtum handeln!«
»Dann entschuldigen Sie die Störung«, sagte der Doktor und legte mit dem Gefühl, von Herrn Steinrück für leicht oder sogar mittelschwer geistesgestört gehalten zu werden, den Hörer auf die Gabel.
Eine halbe Stunde später hatte er sein Vormittagspensum erledigt, hängte den weißen Mantel in den Schrank, wusch sich die Hände und schloß die Praxis hinter sich ab. Im Vorraum begegnete er seinem Freund Seehuber, der gerade dabei war, seine Kanzlei abzusperren.
»Bei dir läuft der Laden, wie ich höre«, knurrte der junge Anwalt und schüttelte Werner Golling schlaff die Hand.
»Ich kann nicht klagen. Und wie geht’s bei dir?«
»Beschissen wäre geprahlt«, antwortete Dr. Seehuber düster. »Den ganzen Vormittag über kam ein einziger Klient, und der wollte wissen, was ihm blüht, wenn er dem Papagei seines Wohnungsnachbarn den Hals umdreht. Das Biest schreit den ganzen Tag wie ein Jochgeier...«
»Tatata...«, schnalzte Werner Golling voller Mitgefühl.
»Ich habe einer Schreibkraft und dem Lehrmädel zum nächsten Ersten gekündigt. Wenn es so weitergeht, mache ich den Laden dicht und gehe in die Industrie...«
»Das täte mir verdammt leid, Loisl. — Was hast du übrigens heute abend vor? Hättest du nicht Lust, mit mir mal wieder einen zu zwitschern?«
»Aufgefordert oder eingeladen?«
»Eingeladen selbstverständlich? «
»Dann bin ich dabei.«
Sie stiegen in den Lift und fuhren ins Erdgeschoß hinunter. Im Treppenhaus war es angenehm kühl, aber als Werner Golling die Haustür öffnete, schlug ihnen eine Hitze entgegen, als hätte er die Klappe eines Hochofens aufgestoßen.
»Wohin gehst du zum Essen, Loisl?«
»Zum Pschorrbräu, ich habe dort ein Abonnement.«
»Ich gehe mit dir. Für diese Affenhitze ist der Heimweg einfach zu weit.«
»Du kannst deine Leute ja vom Pschorr aus anläuten.«
»Nicht nötig, wenn ich bis ein Uhr nicht daheim bin, wissen sie, daß ich in der
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