Ein Mund voll Glück
stäubte die Asche der kaum angerauchten Zigarette so heftig ab, daß die Glut in die Vase fiel.
»Er ist ein Büffel!« sagte sie plötzlich.
»Wer?« fragte er nicht wenig verblüfft.
»Na wer schon?« sagte sie achselzuckend. »Der Sichler Manfred natürlich!«
Er sah sie an, als traue er seinen Ohren nicht.
»Nun schau mich bloß nicht an, als ob ich einer alten Frau das Portemonnaie gestohlen hätte!« sagte sie böse.
»Entschuldige schon«, murmelte er, »aber der Büffel hat mich einfach umgeworfen. Ich war der Meinung, zwischen euch beiden sei alles in bester Ordnung...«
»War es auch. Aber vor Garmisch. Und auch noch in Garmisch. Da hätte uns keine Macht der Welt auseinandergebracht.«
»Wie lange warst du auf der Hotelfachschule?«
»Zwei Jahre...«
»Ich erinnere mich, von dir gehört zu haben, daß er dich häufig besucht hat. Und ich nehme an, daß dir seine Besuche nicht gerade unangenehm waren.«
»Das habe ich auch nie behauptet!«
»Seit wann also und weshalb stimmt es zwischen euch nicht mehr?«
»Ich möchte sagen, seit ich wieder daheim bin. Mein Gott, wie mir dieses Harpfing auf die Nerven geht! Ich habe es bis hier satt!« und sie hob die flache Hand über ihre Nasenspitze empor.
»Auch das hast du mir schon in der ersten Stunde unserer Bekanntschaft verraten. Aber was hat das mit Herrn Sichler zu tun? Da steckt doch etwas anderes dahinter... Ist er etwa fremdgegangen? So was soll Vorkommen...«
»Was fällt dir ein? Das ist nicht seine Art, und dazu ist er viel zu bequem. Der bemüht sich nicht einmal mehr um mich! Dem ist nur eins wichtig, daß er am Montag beim Unterwirt Schafkopf spielt, und am Dienstag zum Kegeln geht, und am Mittwoch zum Stammtisch im Schwanenbräu, und am Donnerstag...«
»Daß du dich aufregst«, unterbrach er sie mit einem kleinen Grinsen, »das hast du doch schon früher gewußt.«
»Ja, aber ich habe gehofft, ich könnte es ihm abgewöhnen, über nichts anderes zu reden als über die Bundesliga, und ob die Nürnberger auf steigen werden und ob 1860 es wieder schafft — und jetzt haben sie ihn noch in den Vorstand vom Harpfinger TuS 05 gewählt!«
»Ist das denn wirklich so schlimm?«
»Ich weiß nicht, weshalb ich es früher nicht als so schlimm empfunden habe, aber jetzt macht es mich einfach krank, zu sehen, wie ein Mann, der einmal ein schneidiger und fescher Bursch war, von Jahr zu Jahr immer mehr verspießt und verschlampt und sich gehen läßt...«
»Nun übertreib aber nicht allzusehr!«
»Ach was«, unterbrach sie ihn heftig, »heuer im März wurde er achtundzwanzig Jahre alt. Als wir uns vor vier Jahren kennenlernten, wog er siebzig Kilo, genausoviel wie ich — und heute bringt er fünfundneunzig auf die Waage!«
»Es gibt gute und schlechte Futterverwerter«, murmelte er, »und falls es dich zu trösten vermag: dicke Leute haben zumeist einen verträglichen Charakter. Das wußte man schon vor zweitausend Jahren. Laßt dicke Männer um mich sein...«
»Hör schon auf«, rief sie böse, »ich brauche keinen Trost! Und damit du auch das Ende erfährst — ich habe ihm gestern den Laufpaß gegeben. Es ist aus zwischen uns, aus und vorbei!«
Er wurde hellwach, und seine Augen nahmen einen Ausdruck an, als lausche er dem Läuten einer Alarmanlage.
»Das ist dein Bier«, sagte er nach einer kleinen Weile, »und wenn du eines Tages einsehen solltest, daß du ein wenig voreilig gewesen bist, so hoffe ich doch, daß du klug genug warst, dir eine Brücke offengelassen zu haben...«
»Keine Brücke! Es gibt kein Zurück! Was geschehen ist, ist endgültig.«
Er spielte mit seinem Feuerzeug, ließ die Flamme anspringen, starrte eine Weile in die bläuliche Corona hinein und blies sie schließlich mit einem langen Atemstoß aus.
»Bist du extra nach München gefahren, um mir diese Geschichte zu erzählen?«
»Natürlich nicht«, antwortete sie ein wenig unsicher, »obwohl es mir gutgetan hat, sie loszuwerden. Wem sollte ich es auch sonst sagen? Meinen Eltern vielleicht?«
»Also doch...«
»Nein, nein! Ich habe eine Menge Besorgungen zu erledigen, für das Geschäft und für mich persönlich. Ich habe mich im Königshof einquartiert. Ich wohne immer dort, wenn ich für einige Tage in München bin...«
»Für wie lange hast du dich dieses Mal eingerichtet?«
»Für zwei oder drei Tage. Aber keine Sorge, ich werde dich nicht belästigen!«
»Du belästigst mich nicht. Aber du hast gesehen, daß die Praxis gut läuft. Ich werde für dich
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