Ein nackter Arsch
vor ihr angegeben habe mit seinen, wie er es nannte, ‚historischen Erfolgen‘. Er hat ihr erzählt, dass er auch schon andere unterworfen habe. Und dass er damit sogar damals seine Frau überzeugen konnte, sich für ihn zu entscheiden.“
„Das ist ja krank. Wer lässt sich denn mit solch einem Typen auf eine Beziehung ein?“
„Menschen wie Gesine Mollet, zum Beispiel. Und vielleicht hat Schmidtbauer auch Seiten gehabt, die liebenswert waren. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich ihn nur aus der Perspektive von Gesine kennengelernt habe. Und Sie sehen ihn auch nur in der Wahrnehmung anderer.“
Simarek dachte einen Augenblick nach. Was brachte Menschen dazu, sich aufeinander einzulassen? Wer definierte, was noch tolerierbar war und was nicht mehr? Er war sich sicher, dass Simone Richter Kriterien hatte, anhand derer sie kranke Strukturen von legitimen Ausdrucksformen unterschiedlicher Persönlichkeiten unterscheiden konnte. Ihm fehlte dieses Fachwissen, und er fragte sich ernsthaft, ob der gesunde Menschenverstand, auf den er sich immer berief, wirklich noch ein geeignetes Maß war, um die unterschiedlichsten Spielweisen und Spielwiesen menschlicher Existenzen zu beurteilen. Er zweifelte und fragte unvermittelt: „Sind Sie eigentlich verheiratet?“
„Wieso?“ Simone Richter war überrascht.
„Nur so. Ich meine, bei all dem, was Sie über Beziehungen wissen und was Menschen Menschen antun.“
„Nein, ich bin nicht verheiratet. Ich bin derzeit nicht einmal liiert. Aber ich bin im Grunde meines Herzens eine Optimistin und glaube, sein Leben mit jemanden zu teilen ist besser als allein zu sein.“
„Ich hätte das nicht so schön sagen können. Aber ich denke genauso.“
„Das habe ich mir schon gedacht“, sagte Simone Richter und verabschiedete den Kommissar freundlich. Als der die Türe hinter sich geschlossen hatte, dachte er: „Wieso fragst du sie, ob sie verheiratet ist? Was soll das?“ Er wollte sich künftig besser unter Kontrolle halten.
Nach Hause wollte er auch diesmal nicht, obwohl er müde war. Ein Gespräch mit Simone Richter war anstrengend und ging an die Substanz. Das hatte Simarek bereits nach dem ersten Besuch empfunden, als er in der Gelben Kastanie gestrandet war. Dort war er heute schon gewesen, also beschloss er, Gerd Hassdenteufel noch einen Besuch abzustatten. Da hatte er es hinterher nicht mehr so weit in sein Bett. Der Kommissar sah bereits am schmiedeeisernen Eingangstor, dass Licht in der Küche des Pastors brannte. Als er sich näherte, hörte er Stimmen in lebhaftem Dialog. Er wollte zunächst umkehren, um nicht zu stören, entschied sich dann aber doch, einen Versuch zu wagen. Er läutete an der Tür und hörte bald die Schritte des Pastors im Flur. Hassdenteufel öffnete und schien erfreut, als er Simarek sah. Offenbar störte der Kommissar nicht.
„Komm rein, ich hab schon Besuch. Aber wo’s für zwei reicht, langt’s auch für drei. Ich habe gerade einen neuen und preiswerten Roten aus dem Languedoc entdeckt. La Cuvée Mythique heißt der, eigentlich ein Landwein, man könnte sagen, ich habe eine Eule zu Besuch.“
„Bitte?“
„Na, weil eine Eule auf dem Etikett ist.“
„Du hast aber nicht nur ’ne Eule zu Besuch, oder?
„Äh…, nein, komm rein.“
Der Kommissar traute seinen Augen kaum, als er die gemütliche Küche des Pastors betrat. Der Pastor blieb mit seinen Freunden oft in der in dunklem Holz gehaltenen Küche hängen. Nur offiziellen Besuch führte er zu seiner Polstersitzgruppe im Arbeitszimmer. Die Küche dagegen war sein Rückzugsraum, fast schon intim zu nennen, und hier saß, durchaus ihrer Profession entsprechend bekleidet, Anna.
„Ihr kennt euch ja schon“, sagte der Pastor, und Simarek reichte Anna die Hand. „Ich habe deinen Ratschlag befolgt und Anna eingeladen. Und weißt du was, Anna versteht was von Rotwein.“
„Aha“, sagte der Kommissar.
„Ich hatte in Lettland einen Freund, der hat sein ganzes Geld in Wein investiert. Er träumte davon, ein nobles Restaurant in Riga aufzumachen. Er hat das leider nicht überlebt.“
„Wie das?“, fragte der Kommissar, doch er ahnte es schon.
„Wenn du einen Laden aufmachst in Riga, kommt automatisch die Mafia und verlangt Schutzgeld. Andris, mein Freund, war etwas naiv. Er hatte ja auch nichts außer ein paar Kisten hervorragenden Wein. Und als er nicht zahlte, haben sie ihn umgebracht. Als Warnung für die anderen. Auch das ist ein Grund, warum ich lieber in Saarbrücken
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