Ein nackter Arsch
Verlust ihn ja auch stark getroffen und sein Verhalten danach bestimmt.“
„Sie sind aber mittlerweile tief in Schmidtbauers Leben eingedrungen“, bemerkte die Psychotherapeutin.
„Ja und nein“, antwortete der Kommissar. „Dass wir das wissen, ist eher einer Verkettung glücklicher Zufälle zu verdanken.“ Und Simarek erzählte der Therapeutin, wie er über den Ehering und den darin eingravierten Namen „Lisette“ durch Hassdenteufels Archiv die Identität Schmidtbauers hatte klären können. Dann entsann sich Simarek, dass er diesen Besuch ja aufgrund eines Vorschlags von Simone Richter machte.
„Sie sagten gestern, Sie hätten noch ein paar Informationen für mich.“
„Ja. Ich glaube zwar nicht, dass die Sie zum Mörder führen…“
„…oder zur Mörderin.“
„Oder zur Mörderin. Ja, Sie haben Recht. Seltsam, ich habe eigentlich die ganze Zeit einen männlichen Täter vor Augen.“
„Warum?“
„Vielleicht, weil ich den Fall bisher nur aus Gesines Perspektive gesehen habe. Gesine konnte sich nicht dadurch helfen, dass sie ihre Gewalt gegen Schmidtbauer richtete. Sie hat sie deshalb gegen sich selbst gerichtet. Gewalt gegen andere dagegen ist eher typisch für Männer.“
„Die Statistik gibt Ihnen Recht.“ Simarek lächelte. „Alle Kriminalstatistiken zeigen, dass Frauen eher Opfer von Verbrechen als Täterinnen sind. In Deutschland sind bei Morden fast fünfundachtzig Prozent der Täter männlich. Aber ich muss beide Möglichkeiten im Auge behalten, obwohl ich auch eher glaube, dass wir es mit einem Täter zu tun haben.“
Dem Kommissar war klar, dass er schon lange eine Grenze überschritten hatte, indem er der Psychologin seine Gedanken zum Fall offenlegte. Aber er hatte das Gefühl, dass Simone Richter ein Recht darauf hatte, auch ihm in die Karten schauen zu dürfen. Er hatte sich schon bei seinem ersten Besuch auf dieses Geben und Nehmen eingelassen.
„Ich glaube nicht, dass ich Ihnen direkte Hinweise geben kann“, nahm Simone Richter den Faden wieder auf. „Aber ich hatte den Eindruck, dass Sie Schmidtbauer besser kennenlernen wollen, um aus dem Verständnis seiner Person Schlüsse zu ziehen.“
„Das ist richtig. Ich glaube, dass hier ein Motiv vorliegt, das mit der Persönlichkeit Schmidtbauers zu tun hat. Sie wissen, wie wir ihn gefunden haben?“
„Nackt.“
„Ja, aber nicht nur das.“ Dem Kommissar wurde klar, dass er immer, wenn er an die nackte Leiche dachte, das gesamte Bild vom Tatort in seinem Kopf abrief. Simone Richter war aber nicht mit ihm am Tatort gewesen, sie hatte den nackten Schmidtbauer nicht gesehen. Also erzählte Simarek, was er vorgefunden hatte.
„Da hat jemand von Herzen gehasst“, meinte Simone Richter. „Das ist offensichtlich. Und es erzählt viel über Schmidtbauer. Er fand sich als Leiche in einer Situation wieder, in die er andere gerne gebracht hat. Und bei allem, was ich von Gesine Mollet gehört habe, ist das jetzt nicht nur bildlich gesprochen.“
„Sie haben was angedeutet beim letzten Mal. Da ging es um seine sexuellen Vorlieben“, hakte Simarek nach.
„Ja, wobei Sexualität sich ja bei uns Menschen nicht nur im Geschlechtsakt niederschlägt, sondern auch im alltäglichen Leben. Sexualität hat mit Macht zu tun, damit, zu zeigen, wer der Stärkere ist.“
„Sie meinen, der Rudelführer beisst die Konkurrenz aus dem Weg, in dem er den anderen Niederlagen zufügt.“
„Genau, Sex ist Macht, und Macht schlägt sich in Sex nieder. Und beim Menschen kommt noch ein entscheidender Faktor hinzu.“
Simarek blickte die Psychotherapeutin fragend an.
„Der Mensch weiß um die Macht der Gedanken und Bilder. Er weiß, dass er andere auch psychisch unterwerfen kann. Durch Demütigungen zum Beispiel.“
„Ich dachte, diese ganze BDSM-Nummer sei nur ein Spiel?“
„Ist sie auch zum großen Teil. Das Spiel mit Macht und Unterwerfung hat einen hohen sexuellen Reiz. In der richtigen Dosis gibt das vielen Menschen den Kick. Und bitte, wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Was in den Schlafzimmern passiert, ist eine Sache zwischen den Beteiligten. Erlaubt ist, was gefällt. Nur, wenn es nicht mehr gefällt, dann wird es problematisch. Alfons Schmidtbauer lebte in einer kranken Gedankenwelt. Gesine leider auch, und deshalb war sie das perfekte Opfer. Aber sie war nicht das einzige.“
„Woher wissen Sie das?“
„Deshalb habe ich Sie gestern angerufen. Gesine hat in einer unserer Sitzungen erzählt, dass Schmidtbauer
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