Ein nackter Arsch
Die schnellen Autos konnten wir uns damals nicht leisten, die Hunde schon. Und die Frauen haben selbst entschieden, wenn Sie wissen, was ich meine.“ Duvall hatte wieder sein Lächeln aufgesetzt, das er selbst wohl für charmant hielt.
„Weiß ich nicht so genau“, antwortete die französische Kommissarin unbeirrt. „Aber bleiben wir mal bei dem Hundeverein. Die haben Schäferhunde und Dobermänner?“
„Ja, das hat sich damals so ergeben. Einige von uns hielten Schäferhunde, andere einen Dobermann. Schmidtbauer und ich hatten Dobermänner. Wir hatten gemeinsam mit Gleichgesinnten einen Verein gegründet, damit wir einen Platz mieten konnten, um unsere Hunde zu trainieren. Denn wir hatten so genannte Gebrauchshunde, die wir in der Regel zu Wach- und Schutzhunden ausbildeten.“
„Alfons Schmidtbauer hat in Deutschland später nicht ganz freiwillig auf den Besitz von gewissen Hunderassen verzichtet“, warf Simarek ein. „Können Sie sich das erklären?“
Duvall rutschte nervös auf seinem Sessel nach vorne, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. „Sagen wir so, Schmidtbauer drillte seine Tiere und er war auch bereit sie einzusetzen, vielleicht auch in Situationen, die nicht unbedingt als Notwehr gelten konnten.“
„Sie meinen, er hat die Hunde als Waffe eingesetzt?“, fragte Michelle Huppert nach.
„Ja, das kann man so sagen. Und wenn Sie ohnehin schon in Forbach waren, dann haben Sie auch bestimmt bereits herausgefunden, dass die Mitgliedschaft von Schmidtbauer im Verein nur von kurzer Dauer war.“
„Und Sie können uns sicher sagen, warum er ging“, griff Simarek jetzt ein und holte das Foto aus seiner Tasche, das Michelle Huppert beim Hundeverein ausgeliehen hatte. „Sie kennen dieses Foto?“
„Ja, das kenne ich. Oh mein Gott, ist das lange her.“ Duvall runzelte die Stirn. „Das sind außer mir noch Schmidtbauer, Peter Conrad und Jacques Desgranges. Die Aufnahme ist entstanden, bevor es zu dem – nennen wir es – Eklat kam, nach dem Schmidtbauer dann aus dem Verein ausgetreten ist.“
„Eklat?“ Der Kommissar und die Kommissarin fragten gleichzeitig und waren dabei lippensynchron. Duvall war die Geschichte offensichtlich peinlich.
„Schmidtbauer hat Desgranges damals die Freundin ausgespannt. Sie hieß Lisette und wurde kurze Zeit später Schmidtbauers Frau.“
„Na, so was kommt vor“, befand Simarek lakonisch.
„Ja, aber es gab böse Gerüchte. Schmidtbauer habe seine beiden Hunde auf Desgranges gehetzt, hieß es. Genaueres hat eigentlich niemand gewusst. Und Jacques Desgranges hat auch nie darüber gesprochen. Aber da der Vater von Desgranges unseren Verein maßgeblich finanzierte, sah Schmidtbauer wohl nur die Möglichkeit auszutreten und Lisette mitzunehmen. Es ist dann nie mehr wieder über diese Vorfälle geredet worden. Ich selbst war danach noch zehn Jahre Mitglied im Verein. Dann ist Jackie, meine Hündin, gestorben. Und dann kam die Karriere, ich wollte keinen neuen Hund, und dann bin ich auch raus aus dem Verein.“
„Haben Sie noch Kontakt zu Desgranges und, wie hieß der andere,… Conrad?“
„Nein, keinen mehr. Ich hab mich zwar damals aus dem Konflikt rausgehalten und Desgranges hat wohl auch nicht mitbekommen, dass ich Trauzeuge bei der Hochzeit von Alfons und Lisette Schmidtbauer war. Aber spätestens, als ich in Schmidtbauers Betrieb einstieg, war klar, dass Desgranges mich für einen Verräter hielt. Ich weiß aber auch nicht, was aus ihm geworden ist. Wir haben dann ziemlich schnell jeglichen Kontakt verloren.“
„Im Hundeverein wusste man das auch nicht“, sagte Michelle Huppert mehr zu Simarek als zu Duvall. „Wir haben das natürlich routinemäßig checken lassen. Auch die Familie Desgranges hat ihr Engagement im Hundeverein Ende der 1960er Jahre beendet. Und wie gesagt, ein großer Teil der Unterlagen fehlt.“
„Wenn ich das richtig weiß“, hakte Duvall ein, „dann kam die Familie ursprünglich aus einem kleinen lothringischen Dorf nahe der Pfälzer Grenze. Aber sicher bin ich mir da nicht mehr.“
„Na ja, vielleicht ist das auch nur ein totes Gleis und führt nirgendwohin“, meinte Simarek und räkelte sich. Er und Michelle Huppert saßen wieder im alten Peugeot des Kommissars und ließen das Gespräch mit Duvall noch einmal Revue passieren. Simarek hatte seine französische Kollegin bereits auf der Hinfahrt über seine wesentlichen Erkenntnisse der letzten Tage informiert.
„Es schadet ja nichts, auch einem vermeintlich
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