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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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er die Bäume mit seinen Blicken sorgfältig ab. Es handelte sich größtenteils um Weiden, dicht gepackt, als zögen sie sich vor den drohenden Fluten zurück. Doch die ganze Insel konnte höchstens tausend Quadratmeter groß sein, und er war sich ziemlich sicher, dass Nigel hier nirgends lauerte und sie beim Vorüberfahren beobachtete.
    Und im Boot war der Junge auch nicht. Papworth hatte behauptet, es sei von Anfang an leer gewesen, doch Dalziel war nicht ganz so überzeugt. Vermutlich konnte man auf dem Boden eines Bootes liegen, ohne vom Ufer aus gesehen zu werden. Doch der Junge war nicht drin, und plötzlich hatte das Problem andere Dimensionen bekommen.
    Papworth sprang behende ins Boot und zog das im Wasser treibende Ruder hinein. Vom Kahn aus untersuchte Dalziel die Ruderbank genau, ohne eigentlich zu wissen, wonach er Ausschau hielt.
    »Wo kommt es her?«, fragte er.
    »Weiß der Himmel«, antwortete Papworth und zuckte die Achseln.
    »Können Sie das nicht erkennen?«
    »Sie hinterlassen keine Spuren«, sagte Papworth. »Und es gibt hier keine gleichmäßigen Strömungen, Gezeiten oder so was. Nein, das war vor allem der Wind, der es weitergetrieben hat, und wo der herkommt, das können
Sie
mir ja sagen.«
    Er hatte recht. Das bisschen Wind, das es gab, kam in launischen Böen und aus den unterschiedlichsten Richtungen.
    Der alte Fielding, der ungewohnt still gewesen war, seit sie abgelegt hatten, sagte nun: »Ein Ruder fehlt. Wenn wir das finden, wissen wir bestimmt mehr.«
    »Möglich«, sagte Papworth lakonisch. »Aber mehr von was?«
    »Hören Sie«, sagte Dalziel und funkelte den trägen Bootsmann böse an. »Es gibt drei Möglichkeiten. Das Boot kann von daher zurückgetrieben sein, wo Nigel ausgestiegen ist. Oder es könnte bereits vom Landungssteg abgetrieben worden sein, und Nigel ist auf der Straße unterwegs. Oder er könnte Probleme gehabt haben und gegen einen Baum gefahren, auf einer Hecke gelandet oder sonst was sein. Er kann doch schwimmen, oder?«
    »Wie ein Fisch«, sagte Fielding.
    »Na also«, sagte Dalziel und stand auf. Das Boot schaukelte gefährlich. Er nahm keine Notiz davon und blickte prüfend über das Wasser. Es war ziemlich klar, wo der richtige See aufhörte und die Überschwemmung begann. Eine Baumreihe und halbversunkenes Unterholz bezeichneten die Grenze zwischen dem jenseitigen Ufer und der dahinterliegenden Fläche, die geometrischen Umrisse der Felder wurden von Hecken angezeigt, die über die Wasseroberfläche ragten.
    »Okay«, sagte Dalziel. »Rufen.«
    »Was?«
    »Rufen«, wiederholte er. »Wenn er irgendwo feststeckt, wird er antworten.«
    Sie schrien los, manchmal jeder für sich, und manchmal vereinigten sich Fieldings piepsiger Tenor, Papworths starker Bariton und Dalziels völlig unmusikalisches Bellen zu einem einzigen furchterregenden Schrei. Mühelos und ungerührt absorbierte die feuchte Luft all ihre Anstrengungen und brachte nichts zurück.
    »Versuchen wir’s ein bisschen weiter draußen«, sagte Dalziel schließlich und griff nach der Stocherstange. Dabei bemerkte er jedoch, dass ihr Gebrüll nicht gänzlich ungehört geblieben war. Im Garten neben dem überfluteten Landungssteg standen nämlich der Rest der Fieldings und Tillotson. Er ahnte, welche Ängste in Bonnies Kopf herumschwirren mussten, und wandte sich an Papworth.
    »Am besten sagen wir Mrs. Fielding Bescheid, was los ist. Können Sie sich in dem Ding noch ein bisschen weiter draußen umsehen, und ich fahre mit dem Kahn zurück?«
    »Wenn Sie wollen«, meinte Papworth. Er zog das Ruder aus der Dolle, benutzte es als wenn auch ziemlich unhandliches Paddel, und entfernte sich.
    »Wo fährt der denn hin?«, fragte Fielding. Er sah aus, als sei er am Ende seiner Kräfte, sowohl körperlich als auch seelisch. Selbst ungeachtet des Rechts seiner Schwiegertochter auf eine Erklärung wäre es notwendig gewesen, ihn möglichst bald ins Haus zurückzubringen.
    »Er sucht weiter«, sagte Dalziel, der wenig fachmännisch mit der Stange hantierte und zum ersten Mal ein gewisses Mitgefühl mit Tillotson empfand. »Wir fahren wohl besser zum Haus zurück und kümmern uns dort um die Organisation.«
    Mrs. Fielding nahm Dalziels Bericht äußerlich gefasst entgegen, doch er spürte, dass sie sich große Sorgen machte, die sie sich nicht anmerken lassen wollte.
    »Gehen wir hinein«, sagte sie. »Herrie, du bist ja nass bis auf die Haut! Bist du von allen guten Geistern verlassen, nur in der Jacke aus dem

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