Ein nasses Grab
Haus zu gehen?«
Sie sah Dalziel halb anklagend an, mit ihren kühn blickenden Augen in einem dieser entschlossenen Gesichter, welche die Edwardianer so bewundert hatten und die noch Jahrzehnte später einen jugendlichen Dalziel aus Jahrmarktsguckkästen so provokant angestarrt hatten. Er fühlte das unter den gegebenen Umständen unangebrachte Verlangen, ihr einladend zuzuzwinkern.
Erstaunlicherweise war Louisa, die sich vorher so gleichgültig gegeben hatte, nun äußerlich am aufgeregtesten.
»Wir können hier nicht nur rumsitzen und nichts tun«, rief sie. »Wir müssen etwas organisieren.«
Ihre Eindringlichkeit schien sich auch auf die anderen zu übertragen, und ihre Mutter und ihr Bruder kehrten nun beschleunigten Schrittes zum Haus zurück, beinahe zu schnell für den alten Mann, der, am Arm seiner Schwiegertochter hängend, den stoischen Blick eines Menschen zur Schau trug, der sich bereits auf seinen endgültigen Abgang gefasst gemacht hat.
Dalziel folgte ihnen. Er sehnte sich zwar danach, ins Trockene zu kommen, hatte es jedoch sonst nicht weiter eilig. Er zweifelte, dass Beschleunigung jetzt noch viel zu Nigel Fieldings Sicherheit beitragen konnte. Entweder
war
der Junge bereits in Sicherheit, oder seine Leiche wartete darauf, mit einem Bootshaken aus dem Wasser gefischt zu werden. Doch die Illusion großer Geschäftigkeit war eine wirkungsvolle Medizin.
Die Uniffs, die klug genug gewesen waren, sich nicht ins nasse Getümmel zu werfen, empfingen den Spähtrupp an der Tür und die jüngsten Neuigkeiten in der Halle.
Mavis zeigte dieselbe ruhige Kompetenz wie vorher, und selbst Hank gab ein paar Geräusche von sich, die gebräuchlichen Trostworten sehr nahekamen. Er legte Louisa seinen Arm um die dünnen Schultern und drückte sein
University-of-Love
-T-Shirt (dasselbe? Oder besaß er Duplikate?) an ihren triefnassen Pullover, dessen neugewonnene Hautnähe tatsächlich gewisse Andeutungen fraulicher Rundungen zutage förderten.
»Wir müssen die Polizei rufen«, sagte sie. Dalziel seufzte und bereitete sich darauf vor, sich als Angehöriger dieser Spezies zu erkennen zu geben. Es wäre unprofessionell, zuzulassen, dass dieses Mädchen mit ihrem hitzigen Temperament ihre unstrukturierte und halb hysterische Zusammenfassung der Ereignisse dem örtlichen Landpolizisten vortrug, wenn er selbst in der Hälfte der Zeit alles in die Wege leiten konnte.
»Vielleicht –«, setzte er an. Da läutete das Telefon. Einen Augenblick lang waren alle wie erstarrt. Dann war es Bonnie Fielding, die sich als Erste in Bewegung setzte und in das Zimmer ging, das der alte Fielding als seines reklamierte.
Man hörte, wie sie den Hörer abhob.
»Nigel!«, rief sie aus.
»Ja«, sagte sie gerade, als der Rest der Gesellschaft in das Zimmer drängte. »Ja. Hör mal, Nigel, wo bist … nein … o verdammt!«
Ihr Gesicht sagte deutlicher als jedes Wort, dass der Junge eingehängt hatte.
»Wo ist er?«, verlangte Fielding zu wissen.
»Es tut mir leid, Herrie«, sagte die Frau. »Aber das hat er nicht gesagt. Er wollte nur, dass wir wissen, dass es ihm gut geht. Er hat gesehen, dass das Boot abgetrieben ist, nachdem er es verlassen hatte, und dachte, dass ich mir Sorgen mache. Na, Gott sei Dank ist er in Sicherheit. So, Herrie, und jetzt zu dir, bevor du dir noch eine Lungenentzündung holst.«
Sie führte den Alten aus dem Zimmer. Die gute Nachricht über das Befinden seines Enkels hatte ihn zwar so weit wiederhergestellt, dass er zum Schein Protest gegen diese unwillkommene Fürsorge erhob, doch ließ er sich ohne physischen Widerstand die Treppe hochgeleiten.
»Ende der Krise«, verkündete Uniff fröhlich. »Ende gut et cetera.«
Da läutete das Telefon wieder, und der Bärtige hob ab.
»Hi«, sagte er. »Ja. Hören Sie, Mann, machen Sie das mit der Post aus. Okay? Nein, sie ist jetzt nicht zu sprechen. Ich meine, wir hatten gerade erst die Beerdigung, könnte also sein, dass sie noch keinen Kopf für Versicherungen hat. Okay. Ich sag’s ihr.«
Er legte auf.
»Der Homunkulus?«, fragte Bertie.
»So ist es. Glaubt anscheinend, dass wir ihm aus dem Weg gehen. Das übliche Lamento. Er ist wirklich ein Sargnagel. Ich hätte ihn fragen sollen, ob wir gegen Nigels Verschwinden versichert sind.«
Louisas geschwisterliche Besorgnis, bis vor kurzem noch im Überfluss vorhanden, hatte sich mittlerweile gänzlich erschöpft.
»Dieses Arschloch«, sagte sie. »Man hätte ihn schon bei seiner Geburt ertränken
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