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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manolo Link
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fragt nicht, was erhalte ich zurück, wenn ich gebe. Wahre Liebe denkt nicht aus sich selbst. Wahre Liebe denkt zuerst an andere. Wahre Liebe denkt zuerst an Gott. Was würde Gott in dieser oder jener Situation machen? Und das ist immer richtig. Das ist wahre Liebe. Liebe ist Gott. Jemand, der nicht weiß, was Gott ist, wer Gott ist, wo Gott ist, der soll wissen, dass Gott Liebe ist. Er ist immer und überall, in mir, in dir, den Tieren, Pflanzen, Steinen, im Meer, in der Wüste, in allem ist Gott. Gott ist der Mensch, Gott ist das Tier, die Erde, das Saatkorn, der Baum, unsere Nahrung, unsere Luft zum Atmen, unser Wasser, das wir trinken... alles ist Gott... und ich weinte... und Gott weinte aus mir... Mein Herz fühlte Liebe, mein Herz fühlte Gott...
    Schritte, die ich hinter mir wahrnahm, weckten mich aus meinen Gedanken. Ich drehte meinen Kopf und sah Constantin. Mit seinem riesigen Wanderstock, der über zwei Meter maß, erinnerte er mich an den heiligen Christophorus. Ich freute mich über seine
    Anwesenheit. Schnellen Schrittes wanderten wir gemeinsam und redeten viel. Constantin gehörte zu einer Art Mensch, die man nicht alle Tage trifft. Schon bei unserer ersten Begegnung war mir seine ruhige, liebenswürdige Art aufgefallen. Er tat sich durch seine Bereitschaft hervor, anderen jederzeit, wie und wo auch immer, zu helfen. Seine Gegenwart tat mir gut. Zu meiner Verwunderung hörte ich erneut Schritte. Wir waren nun wirklich schnell unterwegs. Anscheinend gab es jemanden, der noch schneller war. Ich musste lachen, als ich Angelika mit einer neuen frischen Blume an ihrem Hut erblickte. Sie strahlte uns an. Nach einer kurzen Unterhaltung war sie schon wieder etliche Meter vor uns. »Ein Wunder, diese Frau«, sprach ich zu Constantin.
    »Ja, sie hat viel Kraft«, antwortete er mit einem anerkennenden Blick. Constantin beendete seine Wanderschaft an diesem Tage im nächsten Ort, den wir erreichten. Er wollte nicht ohne seine Frau in Santiago sein. Ich verabschiedete mich und wünschte ihm das Allerbeste.
    »Buen camino, Mano«, waren die letzten Worte, die ich von ihm hörte. Ich würde ihn nie wiedersehen.
    Um die Mittagszeit betrat ich einen Ort. Auf einer Schiefertafel las ich: »Pilgermenü 7 Euro«. Ich war der einzige Gast. Eine junge Frau begrüßte mich freundlich, band sich eine weiße Schürze um, trat an meinen Tisch und fragte, was ich essen möchte. Ich bestellte Gemüsesuppe, ein Fleischgericht mit Sauce, Joghurt zum Dessert, Wein und Wasser. Wenige Minuten später standen eine Flasche Rotwein, eine riesige Schüssel mit wohlduftender Gemüsesuppe und ein Korb mit frischem Brot auf meinem Tisch. Es schmeckte vorzüglich. Eine Frau und ein Mann betraten das Hotel-Restaurant. Sie waren aus Deutschland und hatten anscheinend ein Zimmer reserviert, wie ich aus ihrer Konversation entnahm. Ich fragte die Bedienung nach dem Namen des Ortes. »Palas de Rei«, antwortete sie mir. Dann hatte ich immerhin schon 26 Kilometer zurückgelegt.
    Das Paar machte Anstalten am Nachbartisch Platz zu nehmen. Spontan fragte ich, ob sie sich zu mir setzen möchten. Zögerlich folgten sie meiner Aufforderung. Nach den ersten Worten dachte ich, dass es vielleicht doch nicht so gut war, sie an meinen Tisch zu bitten. Denn das Erste, was ich von ihnen hörte, waren Beschwerden. Oft sei das Essen kalt, die Herbergen schlecht, und die Pilger sowieso... Erfreulicherweise entwickelte sich das Gespräch in angenehmere Bereiche. Wir kamen überein, dass es an der Zeit sei, dass die Menschen von ihrem hohen Ross herunterkommen. Die Ansprüche von vielen sind in den letzten Jahrzehnten dermaßen in die Höhe geschnellt, dass sie niemand mehr erfüllen kann. Und das betrifft nicht nur die Ansprüche an andere. Sondern auch die Anforderungen und Erwartungen an sich selber. Was die Menschen glauben alles tun zu müssen, um Anerkennung und Glück zu erlangen, dem kann niemand gerecht werden. Die Ansprüche an den Partner sind oft viel zu hoch und nicht gerechtfertigt. Während des Gesprächs kam mir ein Gedanke. Ich zahlte meine Rechnung und fragte die junge Frau, ob sie auch Einzelzimmer vermietete, und wenn ja, zu welchem Preis. Zehn Minuten später stellte ich meinen Rucksack in ein schmuckes, einfaches Zimmer, mit herrlich weißer Bettwäsche.
    Das Duschbad war wundervoll. Heißes Wasser, und davon reichlich. Nach dem Duschen legte ich mich in mein frisch bezogenes Bett und las von Santiago, dass ich vorrausichtlich in zwei Tagen

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