Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Restaurant aufzusuchen, dort erst einmal etwas zu essen, ein oder zwei Bier zu trinken und den Besitzer nach Zimmern zu fragen. Minuten später betraten wir die »Mesón o Gallego«, ließen einige Gerichte auftischen, die wir teilten, und labten uns an großen Gläsern mit kühlem Bier.
Der Besitzer organisierte Übernachtungsmöglichkeiten, die sich glücklicherweise unweit vom Restaurant befanden. Gehen wollten wir nun wirklich keinen Schritt mehr als unbedingt nötig. Das Essen war vorzüglich und die Menschen, die uns bedienten, sehr freundlich. Besser hätten wir es nicht antreffen können. Nach dem Essen kam uns der Besitzer des Hauses, in dem wir übernachten konnten, persönlich abholen. Jede Treppenstufe wurde zur Qual. Die Zimmer waren nicht schön, doch wir hatten ein Bett.
Am Folgetag machte ich mich alleine auf die unwiderruflich letzten Kilometer des Jakobsweges. Weiter als bis nach Finisterre ging es nicht. Finisterre setzt sich aus »Fin«, was Ende bedeutet, und »Terra«, die Erde, zusammen. Es war bewölkt, meine Knochen schmerzten bei jedem Schritt. Cée machte auf mich keinen besonders schönen Eindruck. Ich genoss es, am Meer entlangzugehen, es zu riechen und die salzige Luft einzuatmen. Ich liebte den Geruch, der mir immer schon Weite und Unendlichkeit vermittelte. Leichter Regen setzte ein. Da die gelben Pfeile keinen eindeutigen Hinweis gaben, beschloss ich, der Küstenstraße zu folgen, die auf jeden Fall nach Finisterre führen würde.
Mehrmals las ich auf einer Reklame, die an Laternen befestigt war: »Hotel Ancora, spezielle Preise für Pilger.« Ich notierte mir den Namen, weil ich von nun an nicht mehr in Herbergen übernachten wollte. Kurz vor Finisterre stieß ich auf einen langen Sandstrand, den ich hier nicht vermutet hätte. So ging ich das letzte Stück barfuß über weichen Sand. Die Sonne kam langsam zum Vorschein. Ich hatte zwar keinerlei Vorstellung, wie es am »Ende der Welt« aussehen sollte, war aber dennoch überrascht, dass es so schön war. Durch Finisterre wanderte ich bis zum Hafen, wo sich einige Restaurants mit Blick aufs Meer befanden. Auf der Suche nach dem Hotel Ancora begegnete mir Andrea, der in Begleitung eines älteren Herrn im Begriff war, sich ein Zimmer anzusehen. Ich schloss mich ihnen an. Doch der Name »Ancora« wurde immer lauter in mir.
Ein Einheimischer, den ich nach dem Hotel Ancora fragte, zeigte mir den Weg. Schon beim Betreten des Hotels stellte sich bei mir ein überaus gutes Gefühl ein. Eine schöne Mitzwanzigerin empfing mich mit einem bezaubernden Lächeln an der kleinen Rezeption. Ich mietete mich für zwei Tage ein. Das Zimmer war gut und sauber. Sogar eine kleine Badewanne zierte das Bad. Fernsehen gab es auch, interessierte mich jedoch nicht.
Eine letzte kleine Etappe lag noch vor mir. Cap Finisterre, unwiderruflich das Ende des Jakobsweges. Eines meiner drei Hemden steckte ich in eine Plastiktragetasche. Der Tradition folgend verbrennen Pilger ihre alten verschlissenen Schuhe oder andere Dinge, von denen sie sich trennen wollen, am Cap. Ohne meinen Rucksack fühlte sich das Gehen ungewohnt leicht an. An der Kirche Santa Maria wanderte ich vorbei und wurde mit einem atemberaubenden Blick aufs weite Meer und die gegenüberliegende Costa Celta belohnt. Es war angenehm warm. Am Ende des Weges erwarteten mich ein Hinweisstein »0,0 km«, mit Jakobsmuschel, ein beeindruckender Leuchtturm, der auf einem 140 Meter hohen Granitfelsen errichtet worden war, und eine Aussicht in die unendliche Ferne. Vor mir nichts als Wasser, Wasser, Wasser und nochmals Wasser. Hier also war das berühmt-berüchtigte Ende der Welt. Ich musste mir eingestehen, dass es wirklich ein mystischer Ort war. Einige Meter vom Leuchtturm entfernt steht, auf Fels verankert, der berühmte Wanderschuh aus Bronze, vor dem sich eine Feuerstelle befindet. Weil ich weder Feuerzeug noch Streichhölzer bei mir hatte, band ich mein Hemd an ein rundes Eisen. Anschließend ging ich zurück zum Hotel, wo ich die Bekanntschaft eines sechzigjährigen Pilgers machte, mit dem ich mich alsbald an einem Tisch wiederfand. Das Heimatland meines Tischnachbarn war Österreich. Er war mit dem Fahrrad gepilgert und hatte wundervolle Erfahrungen und Begegnungen gehabt. Im Laufe des Gesprächs erzählte er mir von seiner Krebserkrankung, die er glücklicherweise überwunden hatte. Dankbarkeit war der Grund seiner Pilgerschaft. Es war ein Dankeschön an Gott, dass er vom Krebs geheilt worden war.
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