Ein neues Paradies
nachdem ich das Elektroskop entladen habe, stehen die Blätter so weit auseinander, daß sie die Glaswand des Gefäßes erreichen und deren Vergoldung berühren. In diesem Augenblick, Sie sehen es jetzt, fallen die Blätter zusammen, weil durch die Berührung die elektrische Ladung abgeleitet wurde. Das Spiel beginnt sofort wieder von neuem. Wir haben hier, meine Herren, ein Radium-Perpetuum mobile, das seit dem Jahre 1902 ununterbrochen in Gang ist. Seit dieser Zeit sind die Blättchen alle drei Minuten zusammengefallen, um sich dann wieder von neuem zu spreizen. Der Apparat wird noch mehrere tausend Jahre laufen und wahrscheinlich nur dadurch zum Stillstand kommen, daß die Goldschaumblättchen schließlich abbrechen. Hätten wir an Stelle des Radiums Uran in die Röhre gepackt und besäßen wir genügend feste Goldschaumblätter, so könnten wir ein Perpetuum mobile bauen, das jedenfalls siebeneinhalb Milliarden Jahre in Betrieb bleiben könnte. Wenden wir uns nun diesem anderen Apparat hier zu. Sie sehen ein großes Glasbassin und weiter einen liegenden Gasmotor. Ich öffne zwei Zuleitungsröhren, die vom Bassin zum Motor führen. Ich stelle den Motor ein, er springt an und arbeitet jetzt flott. Ich schalte den Strom dieser kleinen Dynamomaschine, die unmittelbar mit dem Motor gekuppelt ist, auf diese Lampe, und Sie sehen, wie die hundertkerzige Lampe in schönem Licht erstrahlt. Das ist Arbeit, meine Herren, die die radioaktive Substanz leistet. Das Bassin enthält einfaches Wasser, dem ich in besonderen Zersetzungszellen ein radioaktives Salz beigefügt habe. Bemerkenswerterweise entwickelt sich nun aus dieser Lösung nicht nur Helium und Argon, sondern außerdem werden fortwährend Wassermoleküle in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Aus diesen Röhren strömt das klare Knallgas in meinen Explosionsmotor, um dort Arbeit zu verrichten. Ich habe ungefähr zehn Gramm radioaktiver Substanz in dem Wasser aufgelöst, und ich kann mit der dauernden Gaserzeugung bequem einen anderthalbpferdigen Motor betreiben. Hier sehen Sie also eine der vielen Möglichkeiten, die Energie des Radiums nutzbringend zu verwerten.
Wir haben noch andere. Ein Apparat mag es Ihnen veranschaulichen. Sie sehen hier eine Reihe eigenartiger Drahtspulen, die mit birnenartigen Glasgefäßen zusammenhängen. Die Gefäße enthalten die strahlende Materie. Alle Strahlen werden in den Glasgefäßen von polierten Hohlspiegeln gefangen. Sie erteilen den primären Spulen elektrische Ladungen, die sich beständig in oszillatorischen Entladungen wieder ausgleichen. Um diese primären Spulen legen sich die Sekundärspulen, und in diesen erscheint die Elektrizität auf nutzbare Spannung und Stromstärke umgeformt. Ich drehe diesen Schalter, und Sie sehen auch hier die Lampe aufflammen. Gewannen wir vorhin nutzbare chemische Spannung, nämlich Knallgas aus der radioaktiven Substanz, so zapfen wir ihr hier die Elektrizität unmittelbar ab. Diese beiden Beispiele mögen Ihnen zeigen, in welcher Weise unsere Technik sich die radioaktiven Stoffe nutzbar machen kann und sicherlich in kürzester Zeit und im größten Maßstabe nutzbar machen wird.
Und nun, meine Herren, komme ich zu der Frage, die ich eigentlich als die erste gestellt hatte: Wie beschaffen wir uns die radioaktive Substanz? Sie wissen, daß im Jahre 1910 eine große Radiumnot herrschte. Die österreichischen Bergwerke zu Joachimstal in Böhmen gaben im Jahr nur etwa fünfzehn Tonnen der berühmten Pechblende. Das Radium, das daraus gewonnen werden konnte, betrug nicht ganz drei Gramm. Die Kosten des Verfahrens waren außerordentlich groß. Für das Milligramm Radium bezahlte man hundert Mark. Ein Kilogramm dieses kostbarsten aller kostbaren Stoffe hätte also damals hundert Millionen Mark gekostet. Selbst für amerikanische Millionäre ein etwas teurer Stoff. Und meine Herren, es war gut, daß der Stoff damals so teuer war. Denn die radioaktive Substanz in solchen Mengen ist giftiger als das schlimmste Gift, sie brennt schlimmer als das heißeste Feuer, und sie ist explosiver als Dynamit und Nitroglyzerin. Erst heute, da wir diese Gefahren zu meistern gelernt haben, können wir es wagen, radioaktive Substanz in größeren Mengen herzustellen. Ich will Ihnen in den folgenden Bildern unsere Fabrik zeigen. Wir haben keine Zeit, Millionen und aber Millionen von Jahren zu warten, bis das so unendlich langsam zerfallende Uran uns genügende Radiummengen liefert. Wir nehmen ein anderes Material, und
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