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Ein orientalisches Maerchen

Ein orientalisches Maerchen

Titel: Ein orientalisches Maerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Brooks
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Hatte Gerard in normaler Kleidung wie ein französischer Charmeur gewirkt – in dieser klassisch arabischen Tracht war er der Inbegriff des starken Mannes.
    „Hast du gut geschlafen?“ Beim erotischen Klang seines Akzents kribbelte es sofort in ihrem Bauch, aber aus Kits Mund kam für ein paar Sekunden kein Ton.
    „Ja. Hab ich“, antwortete sie schließlich selbstbewusster, als sie sich fühlte, während er unbekümmert und – wie sie erst jetzt bemerkte – mit nackten Füßen auf dem Berberteppich neben ihrem Bett in die Hocke ging.
    „Du willst uns also nicht allein lassen?“, wandte er sich plötzlich ohne Überleitung an seine Schwester und räusperte sich.
    Fragend zog Colette eine Augenbraue hoch. „Also, entschuldige mal, Gerard, ich bin doch gerade erst gekommen. Und außerdem, du willst mich doch nicht etwa loswerden?“
    „Was denkst du von mir?“ Kopfschüttelnd zeigte er auf das Tablett. „Könntest du nicht Amina fragen, ob noch ein paar Croissants vom Frühstück übrig geblieben sind? Ich finde, kalter Lammbraten ist um diese Uhrzeit für unsere Patientin noch nicht das Richtige.“
    Argwöhnisch musterte Colette ihren Bruder und öffnete schon den Mund zum Protest, erhob sich dann aber doch mit einem Blick, der mehr geschwisterliches Verständnis als einen Vorwurf zum Ausdruck brachte. Nur an der Tür drehte sie sich hintergründig lächelnd noch einmal um und sagte zu Kit: „Tut mir leid, mein Bruder ist ein notorischer Besserwisser und leider bekannt dafür, immer über alles bestimmen und das letzte Wort haben zu wollen.“
    Colette wirkte zufrieden mit ihrem Abgang, aber den Ausdruck, der jetzt in Gerards Augen blitzte, verstand Kit nicht. Stattdessen spürte sie, wie erneute Spannung ihren Magen zusammenzog. Sie hatte sich auf den Nachmittag mit Colette gefreut. Und nun war sie wieder allein – mit ihm. Seine Nähe machte sie schon nervös. Und dann kam noch hinzu, dass sie bei jedem seiner Blicke den Drang verspürte, sich ihr seidenes Laken bis zum Kinn hochzuziehen. Denn das Nachthemd, das Colette für sie besorgt hatte, erschien ihr auf einmal wie ein Hauch von Nichts, der männlichen Fantasien nicht die geringsten Grenzen setzte.
    Ihre Hoffnung, Gerard würde ihre Abwehrsignale verstehen und gehen, erfüllte sich leider auch nicht. Wie selbstverständlich hockte er neben ihr vor dem Bett, schenkte ihr ein Glas frisch gepressten Traubensaft ein und erzählte ihr dies und das über französische und marokkanische Gepflogenheiten.
    Ungemein lässig wirkte er dabei. Und sah einfach schockierend gut aus. Kit wünschte, sie könnte ihn ignorieren, aber es war unmöglich. Souverän, geradezu majestätisch bewegte er sich in diesem klassisch marokkanischen Kaftan, der zu ihm zu gehören schien wie eine zweite Haut und seine Männlichkeit gefährlich unterstrich. Er hatte etwas von einem Löwen, der seine Beute ins Visier nahm, wie er dort saß, sie ansah und sämtliche Alarmglocken in ihr schrillen ließ. Verschwinde von hier, ehe es zu spät ist, warnte ihre Vernunft sie leise.
    Als sie es schon fast nicht mehr aushielt und fürs Erste eine Flucht ins Bad erwog, erhob er sich mit einem Mal und sagte: „Abendessen gibt es um acht.“ Dann beugte er sich ganz nah zu ihr nach vorn und nickte ihr zum Abschied zu. Jetzt stieg ihr sein würziges Rasierwasser in die Nase, geheimnisvoll und berauschend, und ihr Herz schlug wieder bis zum Hals.
    Hör auf, du kannst den Typ doch gar nicht riechen!
    Kit schloss die Augen und stöhnte wütend über ihre eigene Schwäche auf. Unfassbar! Aber das waren bestimmt nur ihre Hormone. Und die spielten einfach verrückt, weil er es darauf angelegt hatte. Dieser Kerl wusste schließlich ganz genau, wie er in seinem orientalischen Gewand wirkte. Zumindest mit geschlossenen Augen hielt sie das für den Grund ihrer Verwirrung … Bei Licht besehen war es wieder wie verhext. Egal, wie er sich kleidete – dieser Mann sah einfach unverschämt gut aus! Das musste sie mit widerwilliger Bewunderung zugeben, als er ihr jetzt noch einmal zunickte und die Tür hinter sich schloss.
    Auch nachdem Gerard aus ihrem Zimmer verschwunden war, brauchte Kit noch eine Weile, um ihre Gefühlswelt zu sortieren. Stirnrunzelnd nippte sie an ihrem Traubensaft, ließ sich mit dem Glas in der Hand in die Kissen sinken und hatte auf einmal das Gefühl, in die Märchenwelt von Tausendundeiner Nacht einzutauchen. Bisher hatte sie wenig Muße gehabt, das orientalisch anmutende Boudoir

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