Ein orientalisches Maerchen
hinaufgetragen.
„Gerard?“ Benommen blinzelte sie unter halb geschlossenen Lidern und erkannte dunkel sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. „Tut mir … leid, ich war so müde. Aber ich kann doch … auch allein gehen.“
„Pscht, ma belle“, beschwichtigte er sie mit samtweicher Stimme. „Ich bringe dich jetzt ganz schnell in dein Bett. Und dann kannst du so lange schlafen, wie du willst.“
Das durfte doch nicht wahr sein! Plötzlich war Kit hellwach. Er wollte sie ins Bett bringen? Womöglich sogar noch in seins?
Sie schwankte zwischen Protest und Panik. Aber er war so dicht bei ihr … viel zu nah. Sie konnte seine kraftvollen Muskeln spüren. Und seinen Atem, der ihren Hals streifte …
„Colette ist heute Abend bei ihren zukünftigen Schwiegereltern zum Essen eingeladen. Ihr werdet euch also erst morgen kennenlernen“, hörte sie ihn noch sagen, aber da trug er sie auch schon in eins der Gästezimmer mit einem riesigen Himmelbett wie aus Tausendundeiner Nacht. Seitlich an der Wand hing ein Spiegel mit reich verziertem Rahmen, und an den Fenstern wehten Vorhänge aus transparentem Organza.
„Dann lasse ich dich jetzt erst mal in Ruhe“, sagte er, nachdem er sie sanft auf ein Sofa neben dem Bett gelegt hatte. Auf dem Weg zur Tür drehte er sich noch einmal um. „Du kommst doch allein zurecht, oder?“
„Ja, natürlich“, erwiderte sie hastig und schlang schützend die Arme um die Taille, als sie seinen forschenden Blick auf sich spürte.
„Habe ich dir nicht bereits gesagt, dass ich dir nicht zu nahe treten werde? Daran hat sich nichts geändert“, sagte er betont kühl, als hätte er ihre Gedanken erraten, und verschränkte nun seinerseits verärgert die Arme vor der Brust. „Aber vielleicht lässt du dir ja von Amina helfen.“
„Ich brauche niemanden“, antwortete sie kurz angebunden.
„Jeder Mensch braucht einen anderen.“
Kit verspürte den Drang, mit dem Fuß aufzustampfen. Er hatte sie doch eindeutig absichtlich missverstanden.
„Du bist weder eine Insel noch ein Boot, das allein über den Ozean des Lebens schippert …“, ergänzte er.
„Aber ich bin auch kein Passagierschiff“, platzte sie heraus und biss sich gleich auf die Unterlippe. Die Worte waren ihr einfach so herausgerutscht. Himmel, damit hatte sie ihn womöglich noch mehr gegen sich aufgebracht. Instinktiv wappnete sie sich, dachte über passende Entgegnungen nach.
Seine Antwort kam prompt. Nur fiel sie anders aus, als Kit erwartet hatte. „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ganz schön verkrampft bist?“
„Ich wüsste nicht, was dich das anginge!“, reagierte sie eher patzig als geistreich.
„Süßeste Catwoman, es gibt da Situationen zwischen Mann und Frau, denen sollte man nicht ausweichen – die sollte man genießen. Wenn ich es mir so recht überlege, hätte ich große Lust, dir ein paar schöne Lockerungsübungen …“
„Untersteh dich!“, fauchte sie, zog die Beine hoch und umschlang fest ihre angezogenen Knie, als sie ihn langsam auf sich zukommen sah. „Du hast mir deine Gastfreundschaft angeboten und gesagt, dass du nur …“
„Dass ich nur nett zu dir sein will?“, unterbrach er sie hintergründig lächelnd. „Wer sagt dir denn, dass ich das nicht mehr will? Ma belle, du bist eine schöne Frau, und ich bin ein ganz normaler Mann. Da ist es doch nur natürlich, dass …“
„Kommt ganz darauf an, was du unter nett sein verstehst“, schnitt sie ihm jetzt das Wort ab.
Kopfschüttelnd sah er sich nach einem Stuhl um und setzte sich. „Was denkst du eigentlich von mir?“, fragte er betont sanft, hatte sie dabei aber fest im Blick. „Meinst du etwa, ich wäre der böse Wolf? Außerdem, ehrlich gesagt, wenn ich mir dich so ansehe, kann ich mir nicht vorstellen, dass du noch nie mit einem Mann zusammen warst.“
„Selbst wenn ich mich daran erinnern würde“, fauchte sie und verdrehte die Augen, „das würde ich dir bestimmt nicht auf die Nase binden!“
„Weißt du übrigens, dass du eine wunderschöne Nase hast?“, griff er trocken ihre Worte auf. „Und dass deine Haut so samtig weiß schimmert wie die kleine Marmorfigur dort auf dem Nachttisch?“
Perplex folgte Kit der Richtung seines Zeigefingers und beäugte misstrauisch das angebliche Beweisstück. Dabei spürte sie Gerards forschenden Blick auf sich ruhen, wagte es dennoch – oder wieder mal eher deswegen? – nicht, ihn anschließend wieder anzusehen. Stattdessen sagte sie schnippisch:
Weitere Kostenlose Bücher