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Ein orientalisches Maerchen

Ein orientalisches Maerchen

Titel: Ein orientalisches Maerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Brooks
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Kopf.
    „ Alors, ma belle …“, seine dunklen Augen blitzten amüsiert, „… dann wirst du wohl weiter meine Catwoman bleiben. Ich finde nach wie vor, dass dieser Name extrem gut zu dir passt, oder was meinst du, kleine Wildkatze?“ Er grinste sie breit an und schob sich genüsslich ein Stückchen Pastilla in den Mund.
    Kit fixierte ihn aus zusammengekniffenen Augen. Was bildete er sich eigentlich ein, sie so von oben herab zu behandeln. Er tat ja fast so, als wäre sie sein Eigentum!
    Einzig Colette gab sich unbefangen wie immer. „Wie klingt für dich Sam?“, fragte sie. „Vielleicht hat man dich ja mit der allgemein üblichen Kurzform von Samantha angeredet.“
    „Nein, das passt nicht“, Gerard schüttelte den Kopf, „Sam ist ein Männer- und kein Frauenname!“
    „Das finde ich nicht“, widersprach Kit aufgeregt und räusperte sich. „Außerdem: andere Länder, andere Sitten. Andrea, zum Beispiel, ist doch in Italien ein Männername und in Deutschland ein Frauenname. So eindeutig lässt sich das Geschlecht also nicht vom Namen ableiten. Und eigentlich wichtig ist im Grunde doch nur, dass man weiß, wer man ist und mit wem man es zu tun hat.“
    Er lachte jetzt nicht mehr. Fixierte sie aber so eindringlich, dass Kit glaubte, er versuche, auf den Grund ihrer Seele zu blicken. Dann sagte er verstörend leise: „Was glaubst du eigentlich, wer ich bin? Meinst du, du weißt das, bloß, weil du meinen Namen kennst?“
    „Ich…“,stammelte sie und versuchte vergeblich, den Blick von ihm zu lösen. „Ich verstehe nicht, was du meinst.“
    „Weil du, wie die meisten, viel zu sehr nach den Äußerlichkeiten urteilst. Und auch nicht versuchst, dich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen.“ Er sah sie ganz ernst an. „Im Arabischen aber gibt es ein altes Sprichwort: ‚Viele sehen, wie ich erscheine, doch nur wenige wissen, wer ich bin‘. Ich finde das grundsätzlich sehr zutreffend. Wenn ich jemanden kennenlernen oder besser verstehen möchte, sollte ich mich doch in ihn hinein fühlen; hinter seine Maske blicken können, oder? So kann ich nicht nur den Charakter eines Menschen, sondern auch seine Stimmung besser erfassen.“
    „Wenn das so einfach wäre“, murmelte sie nur.
    Gerard hingegen nickte energisch. Jeglicher Spott war aus seinem Gesicht gewichen. „Natürlich ist auch die äußere Erscheinung wichtig und die Aura, mit der wir uns umgeben. Damit können wir viele Blicke auf uns lenken. Bei manchen Menschen aber ist diese Aura nichts als eine schöne Fassade, um von ihren Unzulänglichkeiten abzulenken. Bis man gelernt hat, zwischen Gut und Böse, Echt und Unecht zu unterscheiden, braucht man wohl eine Weile. Und auf dem Weg wird man sicher oft bitter enttäuscht werden.“
    „Ich weiß nicht, ich glaube, um das zu verstehen, da fehlt mir der sechste Sinn“, merkte Kit leicht gereizt an, bedauerte aber ihre Reaktion im nächsten Moment. Ein wenig nervten sie seine Belehrungen, doch zwischendurch fühlte sie sich immer wieder an etwas erinnert, und das verwirrte sie.
    Gerard verzog den Mund langsam zu einem leisen Lächeln. „Nein, ich meine nicht den sechsten Sinn.“ Er beugte sich leicht vor. „Ich spreche vom Lernen, Fühlen und Leben mit dem Herzen. Wenn wir danach leben, verstehen wir nicht nur die anderen besser – wir hören auch endlich auf, so zu sein, wie andere uns gerne haben wollen, und verstecken uns nicht länger hinter einer Maske. Wir reißen selbst die Mauern ein, die wir zum Schutz um uns herum aufgebaut haben. Und wir versuchen einfach nur, ganz wir selbst zu sein.“
    „Und was macht man, wenn einem nicht gefällt, was man hinter den Mauern findet?“, fragte Kit ganz trocken. „Der Selbstfindungstrip könnte ja schließlich auch in einer bösen Überraschung enden.“
    Für den Bruchteil einer Sekunde starrte er sie fassungslos an, dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Und sie mit ihm, obwohl sie nicht wusste, warum.
    „ Mon Dieu“, japste er und rang nach Luft. „Wenn ich gewusst hätte“, fuhr er fort, als er sich wieder beruhigt hatte, „dass meine kleine Catwoman nicht nur scharfe Krallen, sondern auch eine scharfe Zunge hat, dann hätte ich sie nicht mit nichtssagenden Redensarten abgespeist, sondern sie aufgefordert, dem wunderbaren Essen zuzusprechen.“
    „Letzteres wollte ich dir auch gerade vorschlagen, Bruderherz“, schaltete sich Colette gelassen wie immer ein. „Sofern wir nicht warten wollen, bis alles kalt ist,

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