Ein Ort für die Ewigkeit
ausgestattet, die seine Gegner so leiden ließen, daß die weniger Hochbegabten zögerten, nicht absolut hieb- und stichfeste Aussagen ihrer Zeugen überhaupt zu verwenden: Sie hatten Angst davor, was er im Kreuzverhör damit machen würde.
Highsmith lehnte sich zufrieden auf seinem Stuhl zurück und ließ den Blick über die vollen Reihen für die Presse und über die Zuschauergalerie schweifen, wobei sein Profil so kantig erschien, als sei es aus Bauklötzen zusammengesetzt. Wenig wohlwollende Kollegen flüsterten sich zu, er habe Schönheitschirurgen bemüht, um sein Kinn so straff zu erhalten. Er sah sich sein Publikum immer gern an, damit er abschätzen konnte, welchen Eindruck der Fall wohl machen würde. Er fand, die Verhandlung war nicht schlecht besucht. Eine gute Gelegenheit, sein Talent zur Schau zu stellen. Er war einer der wenigen Verteidiger, die bei Eröffnungsbeschlüssen zu imponieren vermochten. Da die Anhörung beim Eröffnungsbeschluß lediglich der Entscheidung diente, ob der Anscheinsbeweis der Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten anerkannt wurde, trug gewöhnlich nur die Anklage ihre Argumente den Richtern vor. Die einzige Gelegenheit, die Highsmith haben würde, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, war die Befragung der Zeugen im Kreuzverhör. Und das war seine Stärke.
Eine Tür an der Seite des Gerichtssaals öffnete sich, und Hawkin kam herein, von zwei Polizisten begleitet. Auf Georges Anweisung hin war Hawkin nicht an die Begleiter gefesselt, denn George war entschlossen, nichts zu tun, was die leiseste Sympathie für Hawkin wecken könnte. Außerdem wußte er, daß die Verteidigung als allererstes verlangen würde, die Handschellen abzunehmen, und wahrscheinlich würden die Richter zustimmen, nicht zuletzt, weil es schwer für sie war, den Gutsbesitzer Hawkin nicht als ihresgleichen zu betrachten. Und Pritchard hatte betont, wie wichtig es psychologisch war, daß der erste, günstige Eindruck nicht zugunsten der Verteidigung entstand.
Achtzehn Nächte hinter Gittern hatten sich auf Philip Hawkins äußere Erscheinung wenig ausgewirkt. Sein dunkles Haar war kürzer als gewöhnlich, da Gefangene sich den Friseur nicht aussuchen dürfen, sondern nehmen müssen, was kommt. Aber es war immer noch glänzend und glatt aus der breiten, fast viereckigen Stirn zurückgekämmt. Aus seinen dunkelbraunen Augen warf er einen kurzen Blick in den Gerichtssaal, bevor er seine Augen auf seinen Anwalt richtete. Das Lächeln, das ständig auf seinen Lippen zu liegen schien, wurde breiter, als er Highsmiths kurzes Nicken erwiderte. Hawkin ließ sich Zeit, als er sich auf der Anklagebank niederließ, zog sorgfältig die Bügelfalten seines guten, dunklen Anzugs hoch und setzte sich dann auf die Bank.
Die Tür hinter der erhöhten Richterbank ging auf, der Gerichtsdiener sprang auf und rief: »Erheben Sie sich.« Stühle quietschten auf dem Fliesenboden, als die drei Richter eintraten. Hawkin stand als einer der ersten und zeigte dabei einen Respekt, der Pritchard als beobachtenswert auffiel. Entweder war Hawkin ein guter Schauspieler, oder er glaubte wirklich, diese Richter hätten Macht über ihn und würden sie zu seinem Vorteil ausüben.
Die drei Männer, die den Fall für die Staatsanwaltschaft verhandeln sollten, setzten sich, und alle anderen außer dem Gerichtsdiener folgten ihnen unter scharrenden Geräuschen. Der Gerichtsdiener teilte ihnen mit, das Gericht tage, um das Verfahren zu beraten, in dem Philip Hawkin aus Scardale in der County Derbyshire vor Gericht gestellt werden solle.
Desmond Stanley stand auf. »Euer Ehren, ich vertrete den Oberstaatsanwalt in dieser Sache. Philip Hawkin wird der Vergewaltigung an Alison Carter, dreizehn Jahre alt, angeklagt. Es wird ihm ferner vorgeworfen, bei einer anderen Gelegenheit am oder um den elften Dezember 1963 herum die oben genannte Alison Carter ermordet zu haben.«
Der einzige Mensch im Saal, der lächelte, war Don Smart, der sich über seinen Stenoblock beugte. Die Vorstellung hatte begonnen.
Nachdem George seine Beweise dargelegt und Highsmiths ätzend scharfsinnigem Kreuzverhör standgehalten hatte, trat er aus dem Zeugenstand und ging erhobenen Hauptes mit zwei roten Flecken auf seinen heißen Wangen durch den vollen Gerichtssaal zurück. Morgen würde er wiederkommen und unter den Zuschauern sitzen, um die abschließenden Darlegungen der Anklage zu hören. Aber jetzt brauchte er eine Zigarette und eine Stunde Ruhe. Er wollte
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