Ein Ort für die Ewigkeit
Bedauern. Der einzige Teil ihrer Vergangenheit, mit dem sie eine Verbindung wünschte, waren die Erinnerungen, die ihr erlaubten, Alison Carters Leben und Tod besser zu verstehen.
Nach ihrem täglichen Spaziergang fuhr sie nach Longnor zurück und aß, bevor sie zur Arbeit zurückkehrte, eine leichte Mahlzeit aus Brot, Käse und Salat. Um sechs Uhr machte sie eine Flasche Wein auf und schaute sich die Nachrichten im Fernsehen an. Wieder an die Arbeit bis um neun, dann hörte sie auf und machte sich eine Pizza oder sonst ein Fertiggericht vom Supermarkt. Den Rest des Abends verbrachte sie mit der Beantwortung von E-Mails und dem Lesen irgendeines Schmökers vom Taschenbuchständer am Bahnhof oder Flughafen. Das und ein gelegentliches Gespräch mit ihrer Lektorin über die Fortschritte des Buches und dem Dokumentarfilmer über seine Zeitplanung war alles, wozu sie noch fähig war.
Zum ersten Mal kreiste Catherines Leben nicht um ein Büro mit vielen Kontakten unter Kollegen und um gesellige Abende danach. Es verwirrte sie, wie wenig sie die Gesellschaft anderer Menschen vermißte. Sie dachte wehmütig, daß sie zu dem geworden war, was sie früher als Jammerlappen bezeichnet hätte.
Als eines Nachmittags das Telefon klingelte und sie George Bennetts Stimme hörte, schien es, als hätten ihre Worte plötzlich ein Eigenleben entwickelt, und einen Augenblick verstand sie gar nicht, was er sagte.
»Tut mir leid, George, ich war gerade ganz woanders mit den Gedanken, als es geklingelt hat, können Sie das noch einmal wiederholen?« fragte sie unsicher.
»Ich hoffe, ich habe die schöpferische Arbeit nicht im entscheidenden Moment unterbrochen.«
»Nein, nein, das nicht. Wie kann ich Ihnen helfen?« Catherine hatte wieder alles im Griff und schlüpfte in ihre Rolle als professionelle Journalistin.
»Ich rufe an, um zu sagen, daß Paul nächste Woche mit Helen für ein paar Tage kommt. Anne und ich dachten, Sie würden vielleicht gern am Freitag zum Essen kommen?«
»Ich wäre begeistert«, sagte sie. »Ich sollte bis Ende der Woche die erste Fassung fertig haben: Ich bringe sie mit rüber, dann können Sie sie durchsehen, wenn die beiden wieder nach Brüssel zurückgefahren sind.«
»Sie haben hart gearbeitet«, sagte George. »Das wird mir eine wahre Freude sein. Also, am Freitag um sieben. Bis dann, Catherine.«
Sie legte den Hörer auf und starrte die Wand mit den Fotos an. Sie hatte fast alles getan, was ihr möglich war, um sie mit Leben zu erfüllen. Jetzt würde sie, ebenso wie Philip Hawkin, das Urteil der anderen abwarten müssen.
9
August 1998
C atherine überreichte George feierlich den dicken Umschlag. »Die erste Fassung«, sagte sie. »Seien Sie nicht höflich, George. Ich möchte wissen, was Sie wirklich davon halten.«
Sie folgte ihm ins Wohnzimmer, wo Paul und Helen auf der Couch saßen. »Jetzt haben wir einen Grund zum Feiern«, sagte George. »Catherine hat gerade ihr Buch gebracht.«
Helen lächelte. »Gut gemacht, Catherine. Sie haben keine Zeit verschwendet.«
Catherine zuckte die Schultern. »Ich muß in drei Wochen wieder in meinem Büro bei der Arbeit sein und hatte keine Zeit, die ich hätte verschwenden können. Das ist das Schöne an journalistischer Arbeit – man kann den Stoff der Zeit anpassen, die man zur Verfügung hat.«
Bevor sie dies weiter besprechen konnten, kam Anne mit einem Tablett mit Gläsern und einer Flasche Sekt herein. »Hallo, Catherine. George sagte, Sie hätten etwas zu feiern, da haben wir gedacht, wir machen mal eine Flasche Schampus auf.«
Paul grinste. »Nicht zum ersten Mal diese Woche. Helens Scheidung ist endlich durch, und wir haben beschlossen, daß wir heiraten. Darauf haben wir neulich schon zwei Flaschen getrunken.«
Catherine beugte sich vor und küßte Helen auf beide Wangen. »Das sind ja wunderbare Nachrichten«, sagte sie begeistert.
George nahm das Tablett und stellte es ab. »Wir sind auch sehr froh. Das ist eine ganz besondere Woche.« George öffnete den Sekt und füllte die Gläser. »Wir trinken«, sagte er und verteilte die Gläser, »auf das Buch.«
»Und auf das glückliche Paar«, fügte Catherine hinzu.
»Nein, auf das Buch, auf das Buch«, protestierte Paul. »Dann werden wir noch eine Flasche aufmachen müssen, damit ihr auf Helen und mich trinken könnt. Und Sie werden zu unserer Hochzeit kommen müssen«, fügte er hinzu. »Schließlich hätten wir, wenn Sie nicht gewesen wären, Dad nicht dazu gebracht, nach Scardale
Weitere Kostenlose Bücher