Ein Ort für die Ewigkeit
alledem, Catherine«, sagte Tommy ärgerlich. »Sie machen sich einen Dreck aus Präzedenzfällen. Sie haben doch nur den Knüller Ihres Lebens vor Augen und das Geld, das Sie damit verdienen können. Sehen Sie nicht, wie viele Leben Sie zerstören, wenn Sie damit an die Öffentlichkeit gehen? Sie lassen George und seinen Ruf am Boden zerstört zurück. Sie ruinieren Pauls und Helens Zukunft, ganz zu schweigen davon, daß Helens Leben dabei völlig kaputtgeht. Wie wird sie sich fühlen, wenn sie herausfindet, daß ihre Schwester in Wirklichkeit ihre Mutter ist und die Frau, die sie für ihre Mutter hielt, an einer Verschwörung teilnahm, die dazu führte, daß ihr Vater umgebracht wurde? Und dann ist da noch Janis oder Alison, oder wie immer Sie sie nennen wollen. Sie setzen sie strafrechtlicher Verfolgung aus, weil sie an dem Komplott mit dem Zweck der Ermordung teilgenommen hat. All das, damit Sie Ihre fünfzehn Minuten im Rampenlicht haben können?« Er schrie jetzt und schien den ganzen Raum auszufüllen. Catherine blieb die Luft weg.
Sie schluckte und sagte: »Ich soll also einfach die letzten sechs Monate meines Lebens abschreiben? Ich habe auch einen Einsatz in dieser Sache geleistet, Tommy. Sie waren doch derjenige, der mit mir darüber gesprochen hat, wie wichtig Gerechtigkeit ist und daß Sie bei der Polizei ausgestiegen sind, weil Sie glaubten, sie könne keine Gerechtigkeit schaffen. Und jetzt sagen Sie, zum Teufel mit der Gerechtigkeit, zum Teufel mit der Wahrheit, ich schütze meinen Ruf und kehre die Tatsache unter den Teppich, daß ich und mein Boß einen Unschuldigen an den Galgen gebracht haben?« Sie war jetzt genauso wütend wie er.
Tommy stürzte noch mehr Whisky hinunter und versuchte, seinen Ärger zu unterdrücken. »Hier geht es nicht um mich, Catherine. Es geht um einen guten Menschen und seine unschuldige Familie. Keiner von ihnen verdient es, daß wegen einer Sache, die vor fünfunddreißig Jahren hätte begraben werden sollen, sein Leben zerstört wird. Hören Sie, Sie wollen die letzten sechs Monate nicht verschwendet wissen. Sie können Ihr Buch immer noch so veröffentlichen, wie es ist, ohne schlafende Hunde zu wecken.«
»Aber George wollte die Hunde nicht schlafen lassen. Er hat mehr Integrität als sie, Tommy. Er wollte das Buch zurückhalten, weil es nicht die Wahrheit ist.«
Tommy schüttelte den Kopf. »Er hat aus einer momentanen Regung heraus gehandelt. Sobald er Zeit gehabt hat, alles zu überdenken, wird er Sinn darin sehen, das Buch in der jetzigen Form zu veröffentlichen.«
»Sie meinen, wenn Sie ihn überredet haben«, sagte Catherine böse. »Das geht nicht mehr, Tommy. Ich kann die E-Mails aus dem Computer löschen, aber ich kann das Wissen in meinem Kopf nicht ausradieren. Ich werde die Wahrheit herausfinden, und im Grunde können Sie mich nicht daran hindern.«
Ein langes Schweigen folgte. Tommy spürte, wie seine Hände sich zu Fäusten ballten, und streckte mühsam die Finger wieder aus. Schließlich holte er tief Luft und sagte: »Vielleicht kann ich Sie nicht daran hindern. Aber ich kann mühelos das Buch verreißen, wenn es rauskommt. Ich kann der Presse erzählen, wie Sie von einem Mann profitiert haben, der auf der Intensivstation lag. Ich kann darüber sprechen, wie Sie George Bennetts Unfähigkeit, sich oder seiner Familie zu helfen, absichtlich ausgenutzt haben. Sie werden nicht mehr wie jemand aussehen, der sich einem Kreuzzug für die Gerechtigkeit verschrieben hat, wenn ich mit Ihnen fertig bin, das kann ich Ihnen sagen. Sie werden so schäbig wie Philip Hawkin dastehen.«
Sie bewegten sich beide nicht von der Stelle, sondern starrten einander an wie zwei Kombattanten in einem mexikanischen Hundekampf. Schließlich sagte Catherine: »Wir haben beide nicht das Recht, die Entscheidung ohne George zu treffen«, und zwang sich, gelassen zu klingen. »Wir wissen nicht einmal, ob wir recht haben. Bevor wir etwas unternehmen können, müssen wir mit Alison Carter sprechen.«
Tommy wandte sich ab und betrachtete die Fotos an der Wand: Alison Carter, George Bennett, Ruth Carter, Philip Hawkin. Innerlich wußte er, daß sie recht hatte. Sie konnten die Entscheidung nicht allein treffen. Und keine so wichtige Entscheidung sollte bei Dunkelheit gefällt werden. Er seufzte. »Also gut. Morgen gehen wir nach Scardale und holen uns die Antworten.«
6
August 1998
T ommy Clough stand um acht Uhr am nächsten Morgen vor Catherines Tür. Als sie aufmachte,
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