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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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Staatsanwaltschaft – auch die zu Edith Candle – und die aus Ediths Computer geraubten Daten. Hier wie dort dominierte das Geldmotiv, hier wie dort herrschte Einigkeit über die Person des Täters: hochintelligent und von Grund auf böse.
    Im Eiltempo las er Mallorys sauber getippte, erstaunlich detaillierte Aufzeichnungen über ihre Observierungstätigkeit. Mit den Obduktionsberichten hielt er sich nicht auf, er riß sie einfach ab, und dabei löste sich der Markierstift, mit dem auf Mallorys Seite ein Kunststoffsack befestigt war. Er fiel zu Boden, wo sich schon ein Berg von Ausschuß türmte. Auch die Perlen von Anne Catherys Kette landeten dort.
    Jetzt, da die Korkwand von allem Unwesentlichen befreit war, beantwortete sie das Warum und das Wie, aber die Frage nach dem Wer war weiter offen. Pearl Whitman gab ihm nach wie vor Rätsel auf, und Markowitz war es bestimmt genauso ergangen. Es war Samantha Siddon, die schließlich den Namen des Mörders preisgab.
     
    Mallory schlug die Augen auf und hätte sich für diesen Moment eigentlich einen erbaulicheren Anblick gewünscht als Riker mit seinen geröteten Augen und dem zerknitterten Stoppelgesicht.
    Er lächelte sichtlich erleichtert. »Na, Kathy, wie geht’s?«
    »Für dich immer noch Mallory. Irgendwie verkatert.«
    »Ich mußte gerade daran denken, wie du damals die Blinddarmentzündung hattest, da warst du noch ganz klein –«
    »Riker, was –«
    »– und wie ich ins Krankenhaus komme, um Lou und Helen ein bißchen moralischen Beistand zu leisten, sagt Louis, daß ich das Beste verpaßt habe. Als dir die Schwester in der Notaufnahme auf dem Blinddarm rumgedrückt hat, hast du ihr einen Tritt in den Bauch verpaßt. Ich hab Tränen gelacht.«
    »Was geht hier vor, Riker?«
    »Weißt du nicht mehr, was gestern Abend war?«
    »Redwing!« Sie setzte sich auf und zuckte zusammen. »Verdammt, mein Kopf! Habt ihr sie?«
    »Körperverletzung und noch fünf oder zehn andere Sachen. Coffey fällt immer wieder was Neues ein. Der letzte Punkt auf seiner Liste war ›Hundesteuer nicht gezahlt‹. Er kniet sich da genüßlich rein.«
    »Wo ist der Junge?« Sie zerrte an dem Schlauch, der sie mit dem Tropf verband.
    »Im Heim. Laß das Ding in Ruhe, sonst muß ich die Schwester holen, und die ist größer und biestiger als du.«
    »Ich muß hier raus.« Sie zog die Kanüle aus der Vene und rieb sich die Einstichstelle. »Wo sind meine Sachen?«
    »Jetzt mal langsam, Mädchen. Du kommst hier nicht raus, ist das klar? Mach mir keinen Ärger, Kathy.«
    »Mallory.«
    »Wir reden im Augenblick privat. Aber gut, ich kann auch anders. Wenn du nicht liegen bleibst, nehme ich dich einfach fest.«
    »Mit welcher Begründung?«
    »Diebstahl eines Xerox-Kopierers.«
    »Also gut, ich geb’s auf.«
    »Das ging mir ein bißchen zu fix. Du vergißt wohl, mit wem du redest.«
    »Ich will ja nur nach Hause.«
    »Du bleibst hier, bis du wieder in Ordnung bist.«
    »Auskurieren kann ich mich auch in meiner Wohnung. Hier im Krankenhaus dreh ich durch. Zu Hause hab ich wenigstens meinen Computer.«
    »Und die Korkwand von Louis.«
    »Auch die.«
    »Du bist viel zu schlapp.«
    Sie schlug die Decke zurück, hängte die Beine über den hohen Bettrand, rutschte ab und landete unsanft mit dem Po auf dem harten Boden.
    »Wer nicht hören will, muß fühlen«, sagte Riker ungerührt.
     
    Drei Frauen hatten Alarm geschlagen, aber weil sie ihn mochten, hatten sie ihn überschätzt. Bekanntlich merkt der Dorftrottel immer als letzter, daß sein Haus in Flammen steht. Gegen Ende ihres Lebens hatte seine Mutter eine verschlüsselte Warnung ausgesprochen. »Du darfst auf keinen Fall Edith in ihrer Zurückgezogenheit stören, Charles.« Und dann war seine Mutter gestorben, und bei der Beerdigung hatte man ihm ein Telegramm von Edith ans offene Grab gebracht, in dem sie ihm kondolierte und ihn zum Tee einlud. Von Einladungen zum Tee hatte seine Mutter nichts gesagt.
    Später hatte Mallory versucht, ihn zu warnen. Er hatte es ihr schlecht gedankt. Henrietta hatte ihre Warnung nicht offen ausgesprochen, aber durch ihr vorsichtiges Taktieren Alarm ausgelöst. Ohne Frauen war er offenbar nicht überlebensfähig. Am besten schaffte er sich außerdem noch einen weißen Stock und einen Blindenhund an.
    Regentropfen schlugen an die Scheiben des Taxis. Ein Blitz tauchte die Straße in fahlweißes Licht, ein Donnerschlag folgte. Der Taxifahrer, offenbar ein vorbildlicher Verkehrsteilnehmer, schlich im

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