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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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Charles Butler. Vielleicht sogar clever genug, um seine Tante nicht zum ersten, sondern zum zweiten Opfer zu machen?
    Um Auskünfte über Henry Cathery, den Erben des ersten Opfers, zu bekommen, hatte sie den Zentralrechner einer Bank angezapft. Markowitz hatte offenbar das Interesse an Cathery verloren, als er erfahren hatte, daß er vermögender war als das Opfer.
    Sie brauchte zwei Stunden, um sämtliche Zettel zu fotokopieren, zurechtzuschneiden und in der ursprünglichen Anordnung auf dem Kork zu befestigen. Die Kamera, die sie erst kürzlich aus dem Polizeilabor hatte mitgehen lassen, stand hinter ihr auf dem Boden. Sie legte die Hochglanzfotos der beiden Tatorte auf den Kork und machte davon Dia-Aufnahmen. Auch dreidimensionale Gegenstände hielt sie im Bild fest, Streichholzbriefchen mit Markowitz’ Gekrakel, einen grünen Plastiksack, der nicht zu dem am Tatort sichergestellten Beweismaterial gehörte, und eine Zellophantüte mit Perlen, die am Schauplatz des ersten Mordes im Gramercy Park gefunden worden waren. Anne Catherys Perlen.
    Der jüngste Mitarbeiter der Spurensicherung hatte sich bitter darüber beklagt, daß ausgerechnet er nach jeder verdammten Perle einzeln hatte suchen müssen. Geschlagene sechs Stunden war er durch Gras und Dreck gerobbt, um sie einzusammeln. Einen ganzen Tag hatten sie gebraucht, um eine identische Kette aufzutreiben, und Stunden, um festzustellen, ob die Zahl der eingesammelten Perlen der an der intakten Kette entsprach. Und das alles nur, weil Markowitz das Erbsenzählen zu einer hohen Kunst entwickelt hatte.
    Es klingelte.
    Einer der Nachbarn? Besuch von draußen hätte der Pförtner per Haustelefon angemeldet. Bei Mallorys Einzug hatte Louis Markowitz den Mann erst gekonnt eingeschüchtert und ihm dann vorsichtshalber noch einen Hunderter zugesteckt. Danach war er allein in sein dunkles Haus in Brooklyn zurückgefahren, in dem früher eine glückliche kleine Familie gelebt hatte: Vater, Mutter, Diebin.
    Es klingelte zum zweiten Mal. Ihre Tasche mit dem Dienstausweis und dem Revolver lag auf dem Tisch an der Tür. Noch hatte sie keine Spuren hinterlassen oder mit ihrer Arbeit Unruhe stiften können. Trotzdem hatte sie den Revolver in der rechten Hand und die Hand hinter dem Rücken verborgen, als sie die Tür aufmachte.
    Vor ihr stand Riker, ein zottiger Bär in schlecht sitzendem Anzug. Sein graues Stoppelgesicht sah aus, als habe er sich seit Markowitz’ Tod nicht mehr rasiert. Auch eine Art Tribut, wenn man Riker heißt, dachte sie. Riker sah dorthin, wo ihre rechte Hand hätte sein müssen. Er lächelte ein bißchen, und die Kummerfalten verflüchtigten sich kurz. »Du würdest mir doch nichts tun, Kathy?«
    Es war ein Versuchsballon. Wenn sie ihm die Anrede Kathy durchgehen ließ, würde sie ihn wohl nicht abknallen. Sie lächelte zurück. Wer sie nicht kannte, hätte nie geahnt, wie wenig Übung sie im Lächeln hatte.
    Sie machte die Tür weit auf und winkte ihn herein. Während sie den Revolver wieder in der Tasche verstaute, tappte Riker schon zum Kühlschrank. Der Kronenkorken, den er von einer kalten Flasche hebelte, kollerte über den Küchenboden. Mallory bückte sich und warf ihn in den Mülleimer. Unordnung war ihr verhaßt. Bei Helen Markowitz war es immer sauber und ordentlich gewesen.
    Am Tag nach Helens Tod hatte Mallory in dem Haus in Brooklyn, in dem sie alle zusammen gelebt hatten, ehe das Skalpell des Chirurgen ihr Helen genommen hatte, wie besessen angefangen zu putzen, bis jede Ecke und jeder Winkel blinkte und blitzte vor Sauberkeit. Als sie sich dann aber den Kamin vornahm und sich bis in den Rauchfang vorarbeitete, hatte Markowitz sie kurzerhand aus Ruß und Asche herausgezogen, und beim Anblick der Schmutzspuren auf dem Teppich, den sie einen halben Tag lang mit der Drahtbürste bearbeitet hatte, war sie ausgeflippt, sie hatte getobt und geschrien und mit den Fäusten auf Markowitz’ Brust herumgetrommelt. Markowitz hatte sich gar nicht darum gekümmert und sie nur wortlos festgehalten. Dann hatte sie geweint. Tagelang. Und seither nie mehr. Es war, als habe sie all ihre Tränen für Helen aufgebraucht.
    Riker machte es sich auf der Couch bequem.
    »Coffey schickt mich, ich soll das Zeugs abholen, das du geklaut hast. Bis auf den Fotokopierer, den vermißt er noch gar nicht.« Er wollte ein Bein über die Armlehne der Couch legen, besann sich aber noch rechtzeitig, wo er war und mit wem er es zu tun hatte.
    »Den Kopierer kannst du auch

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