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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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der Auktion bei Sotheby’s in Erinnerung hatte. Auf dem Mahagonischrank standen Aktenordner, an denen noch die Preisschilder klebten, flinke Hände mit rot lackierten Fingernägeln rückten gerade weitere, prall mit Akten gefüllte Ordner in den Fächern zurecht. Im Bücherregal standen zwölf Fachzeitschriftenjahrgänge und eine kleine Handbibliothek.
    Mit einiger Mühe schloß Mallory die Schranktür. »Du mußt auf Computer umstellen, Charles«, sagte sie. »So geht das nicht weiter.«
    »Hallo, Kathleen.« Er küßte sie auf die Wange und sank in einen bequemen Sessel, den er schon fast vergessen hatte. »Entschuldige, es ist nicht meine Art, mich um einen halben Tag zu verspäten. Du hast ja wahre Wunder gewirkt.« Zu diesem schönen Raum mit den alten Möbeln und den Tiffanylampen paßte einfach nichts Technisches, fand er, nicht mal eine Schreibmaschine oder ein Bleistiftanspitzer. »Wahre Wunder«, wiederholte er, als könne er damit das Thema Computer aus der Welt schaffen.
    In den zwei Jahren ihrer Bekanntschaft hatten sie schon oft darüber gesprochen. Sein Widerstand gegen die neue Technik war ihr unbegreiflich, zumal er sich auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung bestens auskannte, ja sogar einen viel beachteten Artikel über junge Computertalente geschrieben hatte, zu dem er von Mallory inspiriert worden war. Sie konnte jede beliebige Software so abrichten, daß sie auf Wunsch Männchen machte und den Mond anbellte.
    »Wir könnten hier die besten und modernsten Computersysteme installieren«, sagte sie.
    »Du weißt ja, wie altmodisch ich bin.« Daß sie‹wir›gesagt hatte, war ihm nicht entgangen und kam ihm verdächtig vor.
    Als der Türsummer ertönte, war das für Charles eine willkommene Unterbrechung. Computer vertrugen sich einfach nicht mit seinen geliebten Antiquitäten und dem Perserteppich, der aussah, als sei er für dieses Zimmer eigens gemacht worden. Der Knüpfkünstler, der inzwischen gut und gerne hundert Jahre tot war, mußte bei seiner Arbeit den Raum auf rätselhafte Weise deutlich vor Augen gehabt haben.
    Der nervende Summton war noch nicht verstummt. Weil das Geräusch derart penetrant war, tippten die meisten Besucher den Summer nur einmal an. Der dickfellige Dauerton konnte nur bedeuten, daß auf dem Knopf der Daumen von Herbert Mandrel aus Apartment 4 A lag.
    Charles machte auf. Vor ihm stand ein kleiner, drahtiger Mann mit ruhelosem Gesicht und argwöhnischen Augen, der eine geradezu ansteckende Nervosität verbreitete.
    »Haben Sie mal ’ne Minute Zeit?»fragte er und flutschte unaufgefordert an Charles vorbei. Vor Mallory, die ihm den Weg in die Diele versperrte und keine Anstalten machte, beiseite zu treten, kam er zum Stehen, legte den Kopf schief und fixierte sie starr mit einem Auge, als gelte es, einen Vampir zu bannen. Mallory, die ihn um gut zehn Zentimeter überragte, musterte Herbert mit deutlichem Widerwillen.
    »Ehrlich gesagt nein, Herbert«, antwortete Charles, obgleich er natürlich wußte, daß er diese Frage nicht hätte wörtlich nehmen dürfen. Es war einfach Herberts Art, einen zu begrüßen.
    »Es wird immer gefährlicher«, verkündete Herbert. »Alle sind heutzutage bewaffnet.«
    »Alle?«
    »Henrietta aus dem dritten Stock zum Beispiel.«
    »Die hat ihren Revolver doch schon länger, hat sie mir erzählt. Seit sieben Jahren, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Das wußte ich nicht. Sonst hätte ich schon früher was unternommen.« Bis auf seine Füße war alles an Herbert in ständiger Bewegung. Die Augenbrauen zuckten, der Kopf ruckte hin und her, ein spitzer Finger spießte in die Luft. »Wissen Sie, daß eine Revolverkugel durch vier Stockwerke hindurch einen völlig Unschuldigen treffen kann? Wenn Sie nicht dafür sorgen, daß die Schußwaffe aus dem Haus kommt, werde ich entsprechende Schritte einleiten.«
    »Nämlich?« Dumme Frage. Herbert hatte für Probleme jeder Art – vom tropfenden Wasserhahn bis zur kaputten Glühbirne im Hausflur – nur eine Lösung parat.
    »Einen Mieterstreik. Die anderen weiß ich geschlossen hinter mir. Ich will, daß die Kanone verschwindet. Sofort!« Der Zeigefinger hätte um ein Haar Charles’ Gesicht getroffen.
    Mallory trat einen Schritt vor, aber Charles winkte ab. Er machte die Tür ein Stück weiter auf. Doch gegen zarte Andeutungen war Herbert immun. Das »Zieh endlich Leine!« mußte für ihn verbal artikuliert werden.
    »Henrietta ist in einem Schießklub und hat einen Waffenschein,

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