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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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Kehle oder eine abgehackte Brust. Coffey winkte ihn zu sich.
    »Was liegt an, Gerry?«
    In heiserem Flüsterton – als ob das bei dem hundertfachen Stimmengewirr auf dem Square nötig gewesen wäre! – gab er zurück: »Das wird ein Selbstmörderfoto. Verrückt, ich weiß. Aber Sie glauben ja gar nicht, wie viele Selbstmörder ich schon aufgenommen habe.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und warf einen scheuen Blick über die Schulter. »Die ganze Wohnung könnte ich mit meinen Selbstmörderbildern tapezieren. Und Fotos von Mordopfern hab ich zehnmal soviel. Ich weiß, wovon ich rede.«
    Coffey kannte Gerry schon lange und hütete sich zu sagen, was er dachte: »Du Trottel, meinst du denn, sie hat sich selber so zugerichtet?« Es war nicht seine Aufgabe, die Jungs zu demoralisieren, dazu hatte der liebe Gott einen Kripochef geschaffen, und von diesem Gespräch würde Blakely nie erfahren.
    »Verrückt«, sagte Pepper. »Aber Sie wollten es ja wissen.«
    Jetzt schleppten die Sanitäter die Leiche in einem Plastiksack nach oben, und Dr. Edward Slope zog die Gummihandschuhe aus und nickte Coffey zu. Ja, das gleiche Muster, besagte dieses Nicken. Und: Ja, es ist eine verrückte Welt, in der wir leben.
    Coffey legte Slope eine Hand auf den Arm. »Wann ist es passiert, was meinen Sie? Mir wäre schon mit einer groben Schätzung geholfen …«
    Slope ließ seine Tasche zuschnappen, sah Coffey an und brachte fast so was wie ein Lächeln zustande. »Markowitz hat Sie gut gedrillt, mein Junge. In diesem Fall ist es nicht allzu schwer, ich habe ja die Körpertemperatur, den Zustand der Verletzungen und die Leichenstarre als Anhaltspunkte. Falls nicht bei der Obduktion noch irgendwas ganz Verrücktes zutage kommt, würde ich sagen zwischen elf und zwei. Bis morgen kann ich das sicher noch ein bißchen einengen.«
    Grußlos drehte er sich um und ging langsam davon. Es kam Coffey vor, als sei er seit ihrer letzten Begegnung um Jahre gealtert. Höchste Zeit, daß wir uns nicht mehr aus so einem Anlaß treffen, dachte er.
    Riker blätterte in seinem Notizbuch. »Der Pförtner kann sich nicht erinnern, wann Samantha Siddon das Haus verlassen hat. Irgendwann am Nachmittag, meint er. Mrs. Fayette, die Putzfrau, hat die alte Dame um zwölf noch gesehen, danach ist sie heimgegangen. Mrs. Siddon habe einen Hausmantel angehabt und Hausschuhe, sagt sie. Wenn sie sich umziehen mußte, kann sie frühestens um Viertel nach zwölf in der Halle gewesen sein, eher um halb eins. Sie hatte Arthritis in den Händen und den Beinen, da tut man sich schwer mit dem Knöpfen.«
    »Haben Sie mit dem Hausmeister gesprochen?«
    »Ja, der ist ganz schön fertig. Er hat nämlich noch einen zweiten Job und möchte nicht, daß wir das an die große Glocke hängen, wenn wir mit der Hausverwaltung sprechen. Von diesem zweiten Job kommt er um dreiundzwanzig Uhr fünfzehn nach Hause. Er geht nach unten zu seiner Wohnungstür. Es ist dunkel. Die Birne ist schon eine ganze Weile kaputt, aber weil genügend Licht von der Straße kommt, hat er sie noch nicht ausgetauscht. Beim Aufschließen sieht er das Stoffbündel in der Ecke und ist stinksauer, weil er denkt, ein Mieter hat ihm was zum Wegschaffen hingelegt, und schließlich ist er ja nicht die Müllabfuhr. Er zerrt an dem Zeugs herum und begreift erst mal gar nicht, was er vor sich hat.«
    Coffey warf einen Blick in das Notizbuch, aus dem Riker das alles vorgelesen hatte. Auf der Seite standen ganze vier Worte.
    »Haben Sie in der Wohnung Hinweise auf Angehörige gefunden?«
    »Sie hatte nur noch eine Cousine. Soll ich einen Streifenwagen hinschicken?«
     
    »Wie heißt sie noch gleich?« fragte Coffey.
    »Margot Siddon«, antwortete Officer Michael Ohara, Polizist in der dritten Generation. »Cousine zweiten Grades.«
    »Wo ist sie jetzt?«
    »In Marko witz’ Zimmer.«
    »Markowitz hat hier kein Zimmer mehr, Ohara.«
    »Jawohl«, sagte Ohara, aber es klang nicht überzeugt. »In Ihrem Zimmer, Lieutenant.«
    Sergeant Riker tappte hinter Jack Coffey her, dessen Nacken zwischen Haaransatz und weißem Kragenrand rot angelaufen war, sah feixend auf seine Schuhspitzen und betrat hinter Coffey Markowitz’ Zimmer.
    Der neue Anblick war verdammt ungewohnt. An den Wänden hingen nur noch eine normal große Korktafel und zwei Aufnahmen der Rennpferde, die Coffeys einzige Leidenschaft waren – wenn man von der für knackige Bräute absah.
    Zu dieser Kategorie gehörte Margot Siddon nach Rikers Einschätzung

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