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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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Zuschauer bei unseren Darbietungen im Grunde doch gut unterhalten. Max und ich hatten unsere Hellsehnummer erarbeitet, während er eine Verletzung ausheilte. Bei einer seiner Illusionen war ihm etwas schiefgegangen, als … Aber ich schweife ab. Sie wollten hören, was es so an Tricks in der Zunft gibt. Ich riet mit verbundenen Augen den Gegenstand, den der Kunde in der Hand hielt.«
    »Mit Hilfe eines Mikrofons?«
    »Nein, es war viel einfacher – wie die meisten unserer Kniffe. Wenn Sie zu kompliziert denken, kommen Sie nie dahinter.« Sie schob sich die Brille wieder auf den Nasenrücken und sah nachdenklich vor sich hin. »Max gab mir Stichworte. Wenn er sagte: ›Konzentriere dich‹, war der Gegenstand aus Metall. Seinem nächsten Stichwort entnahm ich, ob es eine Münze war oder eine Uhr oder sonst etwas. Wenn er ›Bitte‹ sagte, war der Gegenstand aus Papier. Geld oder ein Foto. Und wenn ich dann die Binde abnahm, las ich den Zuschauern ihre Sorgen und Geheimnisse vom Gesicht ab.«
    »Hatten Sie vorher Erkundigungen eingezogen?«
    »Nein. Max stellte sich zu ihnen in die Schlange. Wir ließen sie immer möglichst lange warten. Schlangestehen verführt zum Schwätzen. Wir haben uns bei der Auswahl nie auf den Zufall verlassen. Ich weiß, das klingt nach Betrug, aber die Leute haben immer etwas für ihr Geld bekommen. Es war eine gute Show.« Sie lächelte, wurde aber gleich wieder ernst.
    »Und dann fand ich zu meiner wahren Berufung. Ein Sheriff holte uns in der nächsten Stadt ein, nachdem eine meiner Visionen Wirklichkeit geworden war. Ich hatte eine Tote gesehen, und der Sheriff hatte sie gefunden. Damit wurde ich berühmt. Bei der nächsten Tournee war nicht mehr Max in den Schlagzeilen, sondern ich. Nach seinem Tod hat mich diese Gabe sehr belastet. Ich hatte seinen Tod vorausgesehen. Sie glauben mir nicht, das spüre ich. Aber es war so.«
    »Haben Sie auch Pearl Whitmans Tod vorausgesehen?«
    »Nein, Kind. Diese Trancezustände überkommen mich immer ein paar Tage vor dem Tod eines Menschen, mit dem ich kurz zuvor zusammen war. Mit Pearl hatte ich seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr.«
    »Es macht Ihnen nichts aus, über sie zu sprechen?«
    »Aber nein. Ein trauriges Ende, nicht wahr? Als ich sie kennenlernte, war sie erst fünfundsechzig. Ihr Vater war gerade gestorben, er war um die Neunzig gewesen, wenn ich mich nicht irre, und sie bat mich, Verbindung zu seinem Geist aufzunehmen. Ich mußte ihr sagen, daß ich für solche Dinge nicht zuständig bin. Fälschlicherweise werden Hellseher und Medien ja oft in einen Topf geworfen.«
    »Sie konnten aber Pearl Whitman dann trotzdem helfen?«
    »Ja, ich habe sie finanziell beraten. Über finanzielle Fragen hatte sie auch mit ihrem Vater sprechen wollen.«
    »Haben Sie dazu in Ihre Kristallkugel gesehen?«
    »Nein, Kind. Darf ich Kathy sagen? Danke. Ich kenne mich auf dem Börsenparkett ganz gut aus und habe Zugang zu einer guten Datenbank, folge aber auch meinem Instinkt. Ich riet Pearl zu einer Fusion, mit der sie ihr Vermögen verdoppeln konnte.«
    »Und haben Sie von dieser Fusion auch profitiert?«
    »Ja. Ich hatte mir auf unseren Tourneen einiges zusammengespart, und Max und ich hatten unser Haus mit einem schönen Gewinn verkauft. Ich investierte alles in Wertpapieren von Whitman Chemical und hatte nach der Fusion genau doppelt soviel wie zuvor.«
    »Hat man Ihnen vorgeworfen, daß Sie damit etwas Ungesetzliches taten?«
    »Insidergeschäfte meinen Sie … Ja, ich bekam tatsächlich ein bißchen Ärger mit den staatlichen Stellen, wurde vorgeladen und stundenlang verhört, aber zum Schluß ist alles im Sande verlaufen. Vielleicht hatte die Staatsanwaltschaft einfach keine Lust, sich mit einer alten Hellseherin anzulegen. Dann gab es den ganzen Wirbel um Mr. Milken und seine Affären, darüber haben sie mich wohl vergessen. Erstaunlich, was man sich alles leisten kann, wenn man alt ist.«
    Die alte Dame gluckste belustigt. Mallory lächelte. Ihre Gedanken hatte Edith Candle offenbar nicht gelesen, ja nicht einmal ihr Lächeln hatte sie richtig deuten können.
    Jetzt hab ich dich, sagte dieses Lächeln.
    »Sagen Sie, Edith – ich darf Sie doch Edith nennen?«
    »Aber natürlich.«
    »Sagen Sie, Edith, ist Pearl Whitman dann davon abgekommen, Verbindung mit ihrem Vater aufzunehmen? Oder ist sie woanders hingegangen?«
    »Das weiß ich nicht, Kathy. Bei mir war sie nie wieder.«
    »Kommt es eigentlich oft vor, daß sich jemand Börsentips bei

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