Ein paar Tage Licht
mich die ganze Zeit, wie sie es machen werden. Klauen sie die Lkws? Laden sie die Kisten um?«
»Von vier Lkws in vier andere Lkws?« Eley sah Manfreds Kopf, er drehte ihn wie bei der Entspannungsgymnastik, von links nach rechts, von rechts nach links.
»Oder in acht kleinere. Oder sechzehn noch kleinere.« Manfred lachte, gutmütig zwar, aber der Spott war nicht zu überhören.
»Manfred, Manfred«, sagte Eley und unterbrach die Verbindung.
Der Kopf drehte sich halb, Grinsen, ein gereckter Daumen.
Kurz darauf verließen sie die B14, kamen für zwei Kilometer aus den Tälern heraus, plötzlich Sonnenschein, frisch besäte Felder, die winzigen Herbsthalme frühlingshaft grün, grelle Reflexe auf dem Chrom entgegenkommender Fahrzeuge.
Dann waren sie wieder im Schatten von Hügeln und Wäldern.
Sie verringerten das Tempo, passten sich den Lkws an, die jetzt selten schneller als vierzig fuhren. Die Straße stieg leicht an, linker Hand fiel der Hang ab, rechts wellte er sich nach oben. Ein paar Forstwege, schmale geteerte Sträßchen führten zu unsichtbaren Dörfern.
Eley fuhr mit offenem Fenster, rauchte. Neuanfänge, dachte er. Einkalkuliert bei einem wie ihm, der beschlossen hatte, alle vier oder fünf Jahre Stadt, Land, Kontinent zu wechseln.
Die Menschen.
Nur ein weiterer Neuanfang. Alles wie immer.
Das Telefon, die Lautsprecher knisterten, erneut Manfred. Er spielte den Aufgeregten. »Und?«
»Nichts«, sagte Eley, blieb gelassen.
»Kannst ja ein bisschen von Algerien erzählen inzwischen.«
Keller sagte etwas, Eley hörte nur ihre Stimme, verstand nichts.
»Ach nee, hast sie angesteckt.« Manfred kicherte.
»Was sagt sie?«
»Lauter, Sandy.«
»Kein Gegenverkehr mehr«, wiederholte Keller.
Sie hatte recht. Seit einer Weile kam ihnen kein Auto entgegen.
»Tataaa«, sang Manfred. »Die Spannung steigt.«
Eley scherte leicht aus, sah an dem Stuttgarter Daimler und dem Streifenwagen vorbei. Eine lang gezogene Kurve, danach zweihundert Meter gerade Straße. Kein Fahrzeug.
»Und jetzt?«, rief Keller.
»Werde ich was essen«, sagte Manfred.
»Nicht auflegen«, sagte Eley.
Er lenkte den Wagen ganz auf die Gegenfahrbahn, gab Gas, bedeutete Keller auf gleicher Höhe, dass er vorausfahren werde. Er sah sie nicken, beide Hände lagen am Lenkrad, sie wirkte angespannt. Dann war er an dem Daimler vorbei, überholte auch den Streifenwagen.
Er hörte Keller und Manfred sprechen, verstand nicht, was sie sagten.
Leichte Kurven, kürzere Geraden, kein Auto weit und breit. Dann raste er durch eine schärfere Krümmung, bremste im letzten Moment. Quer über der Straße lagen ein halbes Dutzend Baumstämme, frisch gefällt, die Stümpfe an der Böschung unmittelbar neben der Fahrbahn. Auch jenseits der Baumstämme keine Fahrzeuge. Sie mussten weiter vorn eine zweite Sperre errichtet haben.
»Sie sind hier, Keller«, rief er, »wir brauchen …«
Im selben Moment hörte er Schüsse. Keller schrie auf, aus den Lautsprechern drang das Kreischen von Bremsen, ein heftiger Knall, Glas splitterte. Dann war die Verbindung abgebrochen.
Er wendete, trat das Gaspedal durch.
Nach einem Kilometer sah er die Lkws, die zum Stehen gekommen waren, der erste Streifenwagen von der Straße verschwunden, irgendwo unten am Abhang brannte es, von dort weitere Schüsse, auch vom Ende des Konvois.
Kellers Wagen war gegen den Steinsockel des Hangs gekracht, die Fahrertür aufgesprungen, Airbags füllten den Innenraum. Sie hing im Gurt, bewegte sich nicht. Manfred war nicht zu sehen.
Vor dem ersten Lkw knieten die vier Fahrer. Maskierte legten ihnen Hand- und Fußfesseln an, zogen ihnen Mützen über den Kopf.
Eley sprang aus dem Auto, rannte in Kellers Richtung.
Da tauchte Manfred hinter dem Daimler auf, kroch brüllend zur Straßenmitte, die Waffe aus dem Holster zerrend. Bevor er auch nur zielen konnte, trafen ihn Kugeln, er kippte zur Seite. Eley sah ihn zittern wie unter einem Schüttelfrost, dann erschlaffte der Körper.
Er lief weiter.
Auch Keller war tot, die linke Wange weggeschossen.
Eley griff nach ihrer Pistole, obwohl er wusste, dass es ein Fehler war und keinen Sinn hatte, eine irrationale Wut trieb ihn an, Wut auf Toumi, dem er am Ende beinahe vertraut hätte, auf den freundlichen Madjer, auf Landrich und das Bürokratenheer, auf sich selbst, weil er es so weit hatte kommen lassen, Wut und plötzliche Verzweiflung, ein fremder Himmel, Algerien unsichtbar in der Dunkelheit, Amel aus seiner Welt verschwunden,
Weitere Kostenlose Bücher