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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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es, hinter den Wangen wuchs der Druck. Sie sehnte sich nach Schlaf, nach Wärme und den glücklichen Jahren.
    Unvorstellbar, mit vierundvierzig neu anzufangen.
    Zwei der für sie wichtigsten Männer waren am selben Wochenende aus ihrem Leben verschwunden. Heinrich Zimmermann würde vielleicht eines Tages zurückkehren. Michael nicht.
    Anfangs hatte sie noch Hoffnung empfunden. Dann nicht mehr. Er war sich so sicher gewesen.
    Sie betrat die Weinkammer, die von der Küche abging. Rotwein war ihre Sache gewesen, er trank nur weißen. Minutenlang stand sie im Halbdunkel vor den gefüllten Flaschenregalen, ohne sich zu bewegen. Matt lag der Widerschein der Küchenlampe auf den Glasleibern, den helleren Schrumpfkapseln.
    Hier drin war alles wie immer. Kein Laut, keine Leere.
    Sie würde, dachte sie, gern hierbleiben, in dieser kleinen, stillen Kammer, in der nichts knarzte und nichts Wesentliches fehlte. Wenn nur der Korkenzieher nicht in einer der Küchenschubladen liegen würde.
    Nein, auch er war vermutlich fort. Chateau Laguiole, einhundertvierzig Euro, der Griff aus schwarzem Horn. Ein erlesener Wein braucht einen erlesenen Korkenzieher, Kati.
    Sie weinte lautlos, um die friedliche Ruhe nicht zu zerstören.

13
    IRGENDWO IN ALGERIEN
    Dunkelheit, seit vierzig, fünfzig Stunden. Während der Fahrt und des anschließenden, schier endlosen Fußmarsches eine Kapuze, dann das fensterlose Verlies. Wieder eine Kapuze, wenn sie ihn zur Toilette führten.
    Nur mit dem Essen brachten sie ihm Licht – eine Kerze. Er aß so langsam wie möglich, doch die Flamme blendete ihn. Seine Augen verloren das Verständnis für Licht.
    Selbst die Gespräche hatten sie in der Dunkelheit geführt. Zwei Männer, Madjer war nie dabei gewesen. Er wusste nicht, wie sie aussahen, wer sie waren. Konnte nicht in ihre Augen sehen, um zu wissen, wie gefährdet er war.
    Er machte sich keine Illusionen. Zu viele Al-Qaida-Geiseln waren ermordet worden.
    Nur reden, Monsieur, nichts weiter. Ihnen wird nichts geschehen.
    Bislang hatten sie Wort gehalten und ihm nichts getan. Abgesehen davon, dass sie ihn in der Finsternis wahnsinnig werden ließen.
    Ich kann nicht mehr, ich ertrage die Dunkelheit nicht, bitte, lassen Sie mich ans Licht, nur für ein paar Minuten …
    Es ist Nacht, Monsieur.
    Immer war es Nacht. Immer hieß es: Morgen, als Belohnung. Jetzt müssen wir noch einmal über die Abläufe sprechen.
    Aber das ist Monate her!
    Sie erinnern sich bestimmt, Monsieur.
    Natürlich erinnerte er sich.
    Anfangs hatte er sich in Ausflüchte gerettet, ins Vage. Hatte ein bisschen Held sein wollen. Man durfte es ihnen doch nicht zu einfach machen.
    Inzwischen sagte er, was er wusste. Er war kein Held.
    Sind die Fahrer bewaffnet?
    Nein.
    Die Lkws werden nach Bedarf angemietet?
    Ja.
    Werden die Transporte vom Sicherheitsdienst begleitet?
    Ja.
    Wie viele Leute?
    Ein Fahrzeug, zwei Mann. Bitte, lassen Sie mich hinaus …
    Es ist Nacht, Monsieur.
    Er erhob sich von der Matratze, begann von Neuem, was er schon Dutzende Male getan hatte: Zentimeter für Zentimeter tastete er sich an den Steinwänden entlang in der Hoffnung, eine zugemauerte Öffnung oder ein verbarrikadiertes Fenster zu finden, wenigstens einen Lufthauch zu spüren.
    Er suchte Licht. Die Möglichkeit von Licht.
    Die Chancen, das wusste er, standen schlecht. Er befand sich unter der Erde. Vier Meter auf vier Meter, als Lager oder Keller angelegt, vielleicht auch als Gefängnis. Daneben waren höchstens andere, ähnliche Räume, aber kaum das Freie.
    Nicht einmal eine Tür gab es, nur eine Falltür in der Decke. Keine Treppe, lediglich eine Leiter. Wenn sie den Raum nach einem der Gespräche verlassen oder ihn von der Toilette zurückgebracht hatten, zogen sie sie nach oben.
    Er suchte weiter. Seine unsichtbaren Finger glitten über rauen Stein, Mörtel, Stein. Er stellte sich auf die Zehenspitzen, klammerte sich an die Hoffnung. Falls es hier drin jemals Licht gegeben hatte, würde er den Weg, den es gegangen war, finden.
    Später lag er auf der Matratze, die Augen geschlossen. Sah Constantine im weißlichen Oktoberlicht. Die Häuser färbten sich zartrosa.
    Lüneburg, das Büro sonnendurchströmt, Glas auf drei Seiten. Das Haus, das sie für sich hatten bauen lassen, ein Haus aus flirrendem Licht. Zu hell für seine Frau und seine Töchter. Im Sommer standen die Lamellen der Jalousien in ihren Zimmern schräg.
    Altniederndorf. Sie hatten umziehen müssen, die erste Wohnung im Tal am Neckar zu

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