Ein paar Tage Licht
Pressereferentin stehen, Prinz ging weiter und setzte sich auf einen einzelnen freien Platz. Ihr zweiter Tag in der D-Runde, da konnte allzu viel offensichtliche Nähe zur Chefin für den falschen Eindruck sorgen. Lächelnd grüßte sie nach allen Seiten. Der Staatssekretär, die Leiter der Abteilungen und des Ministerbüros, die Referenten der Staatsminister, andere hochrangige Kollegen, knapp zwei Dutzend Personen, gestern auch der Minister selbst. Sie war, ohne es wirklich zu wollen, oben angekommen.
Pünktlich um halb zehn wurde die Sitzung eröffnet.
Jens Carlsen, der Pressesprecher des Amtes, fasste zusammen, welche Themen für den Tag relevant sein würden, darunter Mali, der Krieg in Syrien natürlich, Wahlkampf in den USA , andere. Mali wurde wieder aufgegriffen, die Kanzlerin und der Außenminister hatten sich für eine europäische Ausbildungsmission stark gemacht. Allen Anwesenden war bewusst, dass womöglich ein weiterer Auslandseinsatz der Bundeswehr bevorstand. Man diskutierte Zeitfenster, Konsequenzen für die Botschaften in der Region, Sprachregelungen.
Dann kam Algerien, dessen Haltung zum Mali-Konflikt, schließlich die Entführung. Der Leiter des Krisenreaktionszentrums informierte über den Stand der Dinge: die Bekenner-Mail der AQM -Zelle, deren Forderungen. Im Krisenstab werde die Entsendung eines GSG 9-Teams vorbereitet, ein zweiter BKA -Beamter reise später am Tag nach Algier. Man sei froh, dass die frühere Botschafterin Katharina Prinz im Krisenstab sei, deren Kontakte und Einschätzungen von großer Bedeutung seien.
Aller Augen richteten sich auf sie, sie lächelte ernst. Die Augen wanderten weiter, nur der Blick der Staatssekretärin blieb auf ihr liegen. Sie konnte ihn nicht recht deuten. Sollte sie von Eleys Zweifeln berichten? Fragend hob sie die Brauen. Die Staatssekretärin schüttelte den Kopf.
»Vielleicht sollte ich zu Algerien noch etwas anfügen«, sagte Jens Carlsen, ein vollbärtiger Endvierziger, dichtes schwarzes Haar, modische Hornbrille, ein nachdenklicher, konzentrierter Mann, Jugend in der Friedensbewegung, doch das wusste von den Anwesenden vermutlich nur sie.
Ein Landesbischof der evangelischen Kirche, fuhr er fort, habe in einem TV -Morgenmagazin ein aktuelles Rüstungsgeschäft Deutschlands mit Algerien kritisiert – eine Sturmgewehr-Lieferung der Firma Meininger Rau Gewehrfabrik 1889. Für den Mittag seien dazu vom Moderator Äußerungen eines Rüstungsexperten der Linken angekündigt. Carlsen sah in die Runde. Das AA und die deutsche Botschaft müssten sich auf verärgerte Reaktionen der Algerier und der Öffentlichkeit einstellen, schloss er.
»Die Linken sehen zu viel fern«, brummte der Leiter der Abteilung 4, Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung.
Ein paar Lacher, ein paar Kommentare.
Prinz wartete angespannt. »Was genau hat der Bischof kritisiert?«, fragte sie, als wieder Ruhe eingekehrt war.
Suchend glitt Carlsens Blick über die Anwesenden. Sie hob die Hand, bekam seinen Blick. »Er verurteilt Rüstungsexporte allgemein, hält sie für unchristlich. Deutschland unterstütze andere Staaten dabei, Menschen zu töten oder zu unterjochen. In Bezug auf Algerien komme hinzu, dass dort Christen an der freien Religionsausübung gehindert würden und man …«
»So?«, sagte jemand verwundert.
»Erlass 06-03«, erklärte Prinz. »Unerlaubte Ausübung religiöser Praktiken.«
»… und man von einer christlichen Regierung erwarten müsse, dass sie für die Glaubensbrüder weltweit eintrete.«
»Haben wir dem Geschäft zugestimmt?«, fragte der Leiter der Abteilung 6, Kultur und Kommunikation.
»Ja«, erwiderte Prinz.
»Ich wäre für eine Formulierungshilfe dankbar«, sagte Carlsen.
»Verweis auf den Bundessicherheitsrat, wie immer«, sagte die Staatssekretärin.
»Und den Kollegen der Linken ignorieren, wie immer?«
»Warten wir ab, was er zu sagen hat.«
Carlsen blätterte in einer Mappe. »Ich habe hier eine Pressemitteilung seines Büros, Stand neun Uhr dreizehn. ›Händler des Todes‹, ›menschenverachtende Politik‹, ›Deutschland hilft bei der Niederschlagung des Arabischen Frühlings‹, ›Korruption‹, ›Bestechung‹ …«
Wieder brandeten Stimmen auf, diesmal empört. Wieder wartete Prinz. Als sich die Unruhe gelegt hatte, sagte sie kühl: »Bestechung?«
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ALGIER
Das Gesicht fahl, glänzte vor Schweiß, dunkle Flecken im hellblauen Hemd, geballte Fäuste auf dem schwarzen Marmor, als wollte er dem Kerl da vor sich
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