Ein paar Tage Licht
im Spiegel an die Gurgel, und so war es auch, zeitweise.
Die Fliege in Toumis Netz.
Eley zog die Jacke aus, wusch sich Hände und Gesicht. Er hatte Toumi auf sträfliche Weise unterschätzt.
Rufen Sie mich an. Mein Angebot gilt.
Ein einfacher Deal. Du sagst mir, was du weißt, und ich schweige in Bezug auf Mademoiselle Samraoui. Er hatte es für ein paar Momente in Erwägung gezogen. Aber er konnte nicht. Er wollte nicht zusehen, wie Richter und Toni im Lügengespinst geopfert wurden.
Er richtete sich auf, griff nach einem der weißen Frotteehandtücher und trocknete sich ab. Toumis Besuch hatte eines klar gemacht: Was er wusste, war wertvoll. Was er zusätzlich herausfinden würde, wäre noch wertvoller.
Nicht, hatte Amel geflüstert, ihm die Tränen von den Wangen gewischt. Tränen der Wut, der Hilflosigkeit. Nicht, chéri …
Sie selbst hatte gefasst reagiert. Der Glaube an ihren Staat, ihren FLN war unerschütterlich. Sie war nicht lange nach Toumi gegangen, mit dem Vorsatz, sich wie immer zu verhalten. Was blieb ihr auch anderes übrig? Sie hatte die Angst und die Zweifel weggeredet. Toumi gehöre der jungen Generation an, denke modern, nicht traditionell. Was sie privat tue, sei ihm gleichgültig.
Er will mir nicht schaden. Er hat keinen Grund dafür.
Er benutzt dich, weil er mich unter Kontrolle haben will.
Dann gib ihm, was er verlangt. Sag ihm, was du denkst. Na ja, nicht alles, bitte.
Ein verunsichertes Lächeln, der Abschied angespannt. Rein theoretisch, wirklich nur rein theoretisch, er wusste das, war er der Feind, Eley. Er tat Dinge, die er nicht tun durfte, brachte alles durcheinander mit seinen Ermittlungen und Unterstellungen, seinem Verdacht.
Seinen Lügen.
Und du? Fährst du in die Botschaft?
Gleich, ja.
Im Gang zu den Toiletten näherten sich geschäftige Schritte. Eley schlüpfte in die Jacke, begann wieder zu schwitzen.
Toumi geben, was er verlangte? Nein, dachte er. Noch sah er in ihm, trotz allem, einen Handlanger Soudanis. Und in Bezug auf Soudani war er sich sicher. Der General war das, was er zu sein vorgab, nichts anderes: ein Vertreter des Regimes, im Moment der Gefahr zurückgekehrt, um sein Land gegen unsichtbare Feinde zu rüsten. Mehr noch. Soudani war ein Vertrauter von General Mediène, seit 1990 Direktor des Geheimdienstes und nach Einschätzung vieler die Spinne im Zentrum von le pouvoir .
Die Tür öffnete sich, Foued trat ein, Lyon Rigals Bekannter, klein, übergewichtig, Anfang dreißig, fünf Kinder und zwei jüngere Brüder in Diar-el-Mahçoul oben auf dem Hügel, nicht weit vom Sofitel entfernt, das unten in Wassernähe lag. Eley wusste nicht, welche Funktion er im Hotel hatte, irgendeine mittlere Ebene, nicht unbedeutend jedenfalls.
Foued reichte ihm eine Schlüsselkarte und mehrere gefaltete Fotokopien, sagte in geschliffenem Französisch: »Suite 909, Monsieur. Sie sind jetzt auf dem Weg zum Frühstück.«
»Auch die Leibwächter?«
»Ja.«
Eley gab ihm das Bündel abgezählter Geldscheine, zehntausend Algerische Dinar, knapp einhundert Euro.
»Er hat einen Mietwagen bestellt«, sagte Foued, während er das Bündel in die Livreetasche schob und die Jacke glatt strich, »ab zehn Uhr dreißig, Rückgabe bis Mitternacht. Wohin sie fahren, entzieht sich leider meiner Kenntnis.«
»Danke.«
Foued nickte. »Sie wissen, warum ich das tue, Monsieur. Vergessen Sie es bitte nicht, wenn Sie später einmal an diesen Tag zurückdenken.«
Das war ihm wichtig, die Integrität war den Umständen zum Opfer gefallen, dem Betonslum Diar-el-Mahçoul. Überfüllte, winzige Zimmer, Probleme mit der Wasserversorgung, mit Armut, Gewalt. Man brauchte Beziehungen und Geld, um an bessere Wohnungen zu kommen. Seine Kinder sollten sauberer und sicherer aufwachsen, seine Frau »auch die schönen Seiten des Lebens« kennenlernen, seine jungen Brüder aus den Gangs raus. Einen Bruder hatte er schon verloren, bei den Straßenblockaden vom März 2011, mit denen vor allem Jugendliche die versprochene Umsiedlung in bessere Wohnungen hatten erzwingen wollen. Ich möchte nicht eines Tages auch eines meiner Kinder an Diar-el-Mahçoul verlieren, hatte Foued bei ihrer ersten Begegnung eine halbe Stunde zuvor gesagt.
»Ich werde es nicht vergessen«, versprach Eley.
Auf dem Weg zu den Aufzügen überflog er die Kopien: Reisepässe, Anmeldung im Hotel. Philip Stewens, 1967 in Würzburg geboren, lebte in Frankfurt. Ehefrau Giulia, 1975, Turin. Anreise Samstag, Abreise Freitag.
Auf dem
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