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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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ihre Hände kaum einen Meter entfernt und doch unerreichbar. Sanft hatte Eley ihr die Sonnenbrille ins Haar geschoben, mit den Fingern ihre Wange gestreift.
    Endlich in ihre geröteten, verwirrten Augen gesehen.
    Nie mehr loslassen, hatte er gedacht. Aber er hatte sie ja nicht einmal halten können im Jardin d’essai.
    Eine barrage noch auf der N 12, eine weitere nahe des Stausees, beide hatte er ohne Probleme im Pulk verstaubter Autos passiert. An der dritten, auf tausend Metern Höhe vor dem Städtchen Larbaâ Nath Irathen, drohten Schwierigkeiten. Polizisten und Soldaten hatten die Straße am Ortseingang abgeriegelt. Jeeps, Armeelaster und Transportpanzer verengten die Fahrspuren, über ihnen kreiste ein Hubschrauber.
    Eley hielt am Ende der Schlange, ein halbes Dutzend Autos hinter Madjers Renault. Er sah, dass jeder Wagen durchsucht, jeder Kofferraum geöffnet wurde, Beamte auf jede Ladefläche stiegen. Jeder Ausweis wurde geprüft, jeder männliche Insasse abgetastet. Er nahm eine Euromünze von der Mittelkonsole. Zahl: Routinekontrolle, Kopf: Sie waren seinetwegen hier, wollten ihn herausfischen, bevor er ihnen im Irrgarten Kabylei entschlüpfte.
    Er setzte auf Zahl, schnippte die Münze auf den Beifahrersitz, verlor. Er warf die Münze erneut, blieb bei Zahl, gewann.
    Fünfzig-fünfzig, sozusagen.
    Hinter ihm wurde gehupt. Vor ihm war eine Lücke entstanden, er rollte nach, blieb wieder stehen.
    Toumi, dachte er, steckte sich eine Zigarette an. Wurde immer mehr zur zentralen Figur. Niemand außer ihm konnte Madjer gewarnt haben.
    Ein Schrei weckte seine Aufmerksamkeit. An der Spitze der Schlange war Bewegung entstanden, er hörte wütende Rufe. Zwei Männer schlugen aufeinander ein, Zivilisten, fielen in einer Staubwolke zu Boden. Polizisten versuchten, sie zu trennen.
    Instinktiv fasste er den R5 ins Auge.
    Sie warteten noch einen Moment. Dann scherte der Renault aus der Schlange aus, fuhr ein paar Meter auf dem Kiesstreifen neben der Fahrbahn und bog nach rechts in eine Gasse ein. Verschwand.
    Eley fand das Sträßchen auf der Landkarte. Über zahlreiche Kehren führte es um Larbaâ Nath Irathen herum und schließlich auf die Nationalstraße zurück.
    Er schlug das Lenkrad ein, gab Gas.
    Vorn standen die beiden Männer wieder auf den Füßen, wurden zu Streifenwagen geschubst. Hinten verschwand ein zweiter Wagen aus der Reihe der Wartenden.
    Keine weiteren Kontrollen, doch die Fahrt zog sich hin. Eine Stunde verging, dann waren es eineinhalb, erst in Richtung Sahara, später in Richtung Mittelmeer. Straßendörfer ohne Anfang, Zentrum, Ende, enge Täler, von Macchia überwucherte Hänge. Darüber Grasebenen und Geröllplateaus, Wälder, im Süden über allem die kahlen grauen Spitzen des Djurdjura-Gebirges. Eley gingen die Zigaretten aus, das Wasser, er hatte Hunger. Kurz nach Madjer tankte er, kaufte ein, fuhr weiter, fuhr und fuhr. Mehr als einmal war er drauf und dran, das Telefon einzuschalten, um nachzusehen, ob Amel eine SMS geschickt hatte, und sich die Wut und die Verzweiflung Harry Landrichs anzuhören, großes Theater, wenn es sonst nichts zu tun gab. Er unterdrückte den Impuls, dachte stattdessen über Phil nach. Zwei Telefonnummern und eine Verabredung in Tizi Ouzou genügten doch nicht, um einen Mann erschießen zu lassen. Er musste mehr gewusst haben. Dinge, die er auf keinen Fall in einem algerischen Gefängnis hätte preisgeben dürfen. Hatte Phil, der Spieler und Abenteurer, tief in seinem skrupellosen Herzen eine Schwäche für Revolutionäre gehabt?
    In der Gemeinde Bouzeguène am östlichen Ende des Bezirks Tizi Ouzou verließen sie die Hauptstraße, bewegten sich an Hügelflanken entlang auf ein dunkelgraues Massiv zu. Dörfer am Hang, die Häuser aus Stein oder Fertigbetonteilen, hin und wieder eine schlichte Moschee. An einem überdachten öffentlichen Brunnen bogen sie ab, rollten auf Schotter weiter, Staubfahnen hinter sich herziehend. Rechts und links Olivenbäume, manchmal ein paar Ziegen, Kühe, von Frauen gehütet, für einen Augenblick zog intensiv der Geruch von Eukalyptus durchs Wageninnere. Unterhalb des Grates wieder ein Weiler, die Häuser lagen zwischen einzelnen, von gelbem Gestrüpp bewachsenen Erhebungen.
    Als der Renault im Schatten einer Korkeiche neben einer Steinhütte hielt, blieb auch Eley stehen. Madjer und der Fahrer stiegen aus, nahmen Rucksäcke aus dem Kofferraum. Aus dem Gebäude war ein dritter Mann gekommen, sie begrüßten sich mit Handschlag und

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