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Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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und zurück ins Schweigen zu treiben, doch ihr wurde immer klarer, dass die andere Frau mehr wusste, als sie verriet.
    »Das isses ja.« Gladys biss sich auf die Lippe. »Sie war irgendwie geheimniskrämerisch, manchmal ein bisschen etepetete, als ob sie was Besseres wär als unsereins, aber auf ihre eigene Art war sie nett. Sie tat so, als wär sie aus ’ner besseren Welt gekommen, aber dann hab ich mir gedacht, dass es vielleicht wirklich so war. Etwas, das sie mal gesagt hat, bringt mich darauf. Tillie Biggs hatte sich an dem Tag blöd gesoffen. Lag im Straßengraben, als gehörte sie dorthin. Da konnte sie wenigstens nich’ mehr rausfallen. Und Zenia war die Einzige, die sich Zeit genommen hat, ihr zu helfen. Wir anderen haben bloß gesagt, dass die dumme Kuh doch selber schuld is’, aber davon wollte Zenia nix wissen. ›Wir alle haben uns irgendwas selber zuzuschreiben‹, hat sie gesagt. Aber das heißt doch nich’, dass wir keine Hilfe brauchen.«
    »Was hat sie getan?« Hester spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte und eine Emotion sich ankündigte, die sie nicht beherrschen konnte.
    Mit einer kleinen, traurigen Geste meinte Gladys: »Sie hat sie hochgestemmt und in ’nen Durchgang geschleppt, wo ’s trocken war und keiner über sie fallen konnte. Hat sie dort noch gegen ’ne Wand gelehnt und dann so zurückgelassen. Mehr konnte man nich’ tun, und das wusste sie auch.« Sie verstummte, während sie mit sich rang, ob sie noch mehr sagen sollte.
    Hester war unschlüssig. Sollte sie Gladys ermuntern oder besser warten? Sie setzte schon zum Sprechen an, überlegte es sich dann aber anders.
    »Könnte mir vorstellen, dass sie selber schon in ein paar Straßengräben gefallen war«, fuhr Gladys leise fort. »Einmal hat sie mir erzählt, dass sie verheiratet gewesen war. Vielleicht hatte der Mann sie wegen dem Saufen verlassen. Oder sie war ihm weggelaufen. Ich weiß nich’.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber eine von uns war sie nich’. Auch nich’ aus der Gegend.«
    »Woher kam sie eigentlich, wissen Sie das?«, fragte Hester sanft. Gladys’ Antwort hatte eine schmerzhafte Dimension in das Gespräch gebracht, die sie gerne vermieden hätte. Zenia wurde damit viel zu real: eine Frau mit Träumen und spontaner Freundlichkeit, empfänglich für Schmerz.
    Gladys zwang sie zurück in die Gegenwart. »Das hat sie nie verraten. Komisch war sie ja. Sie liebte Blumen. Ich meine, sie wusste, wie man sie pflegt, welche Art von Erde sie mögen und all das, denn manchmal hat sie darüber geredet. In welchem Monat sie blühen und so was. Hier haben wir ja keine Blumen. Manchmal stand sie am Pier und schaute übers Wasser. Man konnte fast meinen, sie wär auf der anderen Seite vom Fluss drüben im Süden aufgewachsen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wollte sie einfach nur für sich sein. Ein bisschen nachdenken. Davon träumen, in ein Boot zu steigen und irgendwohin zu fahren. Na ja, manchmal geht’s mir so.«
    Wieder wartete Hester, um den Moment nicht zu zerstören.
    Mit einem verlegenen Lächeln blickte Gladys zu ihr auf. »Blöd, oder?«
    »Nein«, widersprach ihr Hester. »Wir alle müssen hin und wieder von etwas träumen. Wer kannte sie denn sonst noch? Was für ein Mensch war Dr. Lambourn? Hat sie je über ihn gesprochen?«
    »Nein. Aber ich hab mir gedacht, dass sie ihn bei dem Geld für sich allein behalten wollte. Konnte nix davon erübrigen. Hätte ja auch nich’ für mehr als eine gereicht.«
    »Neidisch?«, fragte Hester hastig.
    »Natürlich. Aber so was wie diesen Mord würden wir doch bei Gott niemand antun! Wofür, in drei Teufels Namen, halten Sie uns?« Gladys war empört, ja verletzt.
    »Das habe ich auch gar nicht gedacht«, verteidigte sich Hester, der allmählich die Fragen auszugehen drohten. Nachdem sie Gladys gefunden und mit ihr gesprochen hatte, hielt sie es für denkbar, dass Dinah vorübergehend den Verstand verloren und tatsächlich Zenia Gadney zerfetzt hatte. Konnte sich eine ansonsten normale Frau, die betrogen worden war, so sehr in ihre Gefühle hineinsteigern, dass sie die dunkelste, die blutigste Seite ihrer Natur auslebte? Waren ihre Wunden – Scheitern, Abscheu vor sich selbst, Hass – derart tief, dass sie sie in den Wahn getrieben hatten?
    Unvorstellbar erschien ihr das nicht mehr.
    Sie wechselte das Thema. »Der Ladeninhaber hat gesagt, Mrs Lambourn hätte in Limehouse Opium gesucht. Das tat Dr. Lambourn doch auch, nicht wahr? Ich meine, er stellte

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