Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
hochangesehene Witwe eines Arztes in Greenwich ist und die andere eine Prostituierte mittleren Alters auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses in Limehouse?«
»Natürlich ist Dr. Lambourn der Zusammenhang!«, ereiferte sich Coniston. »Aber durch sein Leben, nicht durch seinen Tod.«
»Kann man das einfach so getrennt voneinander behandeln?«, fragte Rathbone ungläubig.
In der Galerie entstand ein allgemeines Rascheln, da die Leute sich in der Furcht, etwas zu verpassen, wieder weit vorbeugten.
Die Männer auf der Geschworenenbank blickten sich im Saal um und dann wieder nach oben zum Richter.
»Allerdings!«, erklärte Coniston kühn. »Und zwar insoweit, als die beruflich bedingte Verzweiflung, die ihn in den Selbstmord trieb, vollkommen getrennt von der Verzweiflung seiner Frau über die häuslichen Verhältnisse zu behandeln ist, welche die Ursache dafür ist, dass sie Zenia Gadney ermordete.«
Rathbone machte Anstalten zu protestieren. Dieser Schluss war doch wirklich an den Haaren herbeigezogen. »Mylord …«
»Ihrem Einwand wird stattgegeben, Mr Coniston«, fuhr der Richter Rathbone über den Mund. »Sir Oliver, wenn Sie keine sachdienlichen Fragen an Commissioner Appleford zu stellen haben, entlässt ihn das Gericht und geht zum nächsten Zeugen über. Mr Coniston?«
Rathbone sackte deprimiert auf seinen Sitz zurück. Er fühlte sich, als hätte ihn ein Gewicht zerschmettert, das er hätte fallen sehen müssen, aber nicht bemerkt hatte. Ihm war es ein Rätsel, was er jetzt noch versuchen sollte. Diese Entscheidung war ungerecht, doch mit einem neuerlichen Protest würde er sich nur Pendocks Zorn zuziehen, ohne dass er irgendetwas zu Dinahs Entlastung vorbringen konnte – ganz einfach, weil er nichts in Händen hatte.
Plötzlich fühlte er sich am Rande der Verzweiflung.
13
Als der Prozess gegen Dinah eröffnet wurde, brach Hester zu ihren eigenen Ermittlungen auf. Das Thema des Verkaufs von Opium brannte ihr mit jeder neuen Information, auf die sie stieß, immer dringlicher auf den Nägeln. Schließlich hatte sie, die in ihrer Zeit als Krankenschwester bei den Soldaten grässliche Verwundungen, verheerende Formen der Ruhr und Fiebererkrankungen behandelt hatte, bisher nur die Vorteile von Opium bei der Linderung von Schmerzen erlebt.
Zuletzt hatte sie in der Klinik in der Portpool Lane Prostituierte gepflegt, darunter auch blutjunge Mädchen von zwölf oder dreizehn Jahren. Erst von Dr. Winfarthing hatte sie erfahren, dass Medikamente, die Opium enthielten, bei Kindern auch schlimme Schäden anrichten konnten.
Doch im Fall Dinah Lambourn reichte die Zeit nicht, um Lambourn zu rehabilitieren. Zuallererst mussten sie herausfinden, wer Zenia Gadney ermordet hatte. Und der erste Schritt hierzu war wohl, mehr über sie in Erfahrung zu bringen als die wenigen dürren Fakten über ihr Leben in der Copenhagen Place.
Die Straßenmädchen, die die Klinik in der Portpool Lane nutzten, stammten größtenteils aus der näheren Umgebung, aber manche Patientinnen mit chronischen Krankheiten waren auch schon aus weiter entfernten Vierteln gekommen. Für sie konnte Hester in der Regel nicht viel tun, aber alles, was ihre Qualen linderte, war eine große Hilfe. Jetzt machte sie sich auf die Suche nach einer ganz bestimmten Patientin, an deren Bett sie schon so manche Nacht verbracht und eine Lungenentzündung so weit kuriert hatte, dass sie bis auf Weiteres auf die Straße zurückkehren konnte. Der nächste Besuch würde wahrscheinlich im Winter sein, wenn Hunger, Kälte und Erschöpfung durchaus ihren Tod bedeuten konnten.
Obwohl Gladys Middleton auf die vierzig zuging und seit ihrem zwölften Lebensjahr permanent ge- und verkauft worden war, sah sie erstaunlich hübsch aus. In ihrem dichten schwarzen Haar fehlte jede Spur von Grau. Ihre Haut verlor allmählich ihren Glanz, war aber frei von Schönheitsfehlern – zumindest bei Kerzenlicht. Ihre letzte Erkrankung hatte sie beträchtliches Gewicht gekostet, doch in ihrem Fall war der Verlust von Vorteil. Sie hatte immer noch großzügige Rundungen und trug sie beim Gehen mit erstaunlicher Anmut zur Schau.
Es erforderte fast den ganzen Tag, bis Hester wusste, wo Gladys jetzt lebte. Aber auch, als sie die richtige Pension entdeckt hatte, musste sie warten. Das tat sie in einem Hauseingang, wo sie sich so klein wie nur möglich machte.
Als Gladys schließlich aus einem Gasthaus an der Ecke trat, folgte sie ihr in einem Abstand von etwa fünfzig Metern
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