Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
zu der Pension. Kurz nach ihr trat Hester dort ebenfalls ein, doch inzwischen fehlte von Gladys jede Spur. Aufgeben kam für Hester nicht infrage. Wiederholt landete sie bei der falschen Person, musste sich entschuldigen und versuchte bei der nächsten ihr Glück, bis sie schließlich an die richtige Tür klopfte.
Gladys öffnete ihr vorsichtig. Es war zu früh, um Kunden zu erwarten. Draußen war es noch hell, und ein Freier lief Gefahr, auf der Straße einem Bekannten zu begegnen, was dann natürlich zu peinlichen Fragen und verlegenem Herumdrucksen führte.
»Hallo, Gladys«, sagte Hester mit einem schnellen Lächeln. Es hätte keinen Zweck, so zu tun, als hätte sie nicht vor, sie um einen Gefallen zu bitten. Gladys hatte in ihrem täglichen Überlebenskampf zu viel gesehen, um das nicht zu durchschauen, und würde es nicht schätzen, mit Ausreden hingehalten zu werden, so schmeichelhaft sie auch sein mochten.
Andererseits würde ein kleines Geschenk bestimmt nicht schaden. Hester hielt eine Flasche Tonic Cordial hoch, das, wie sie wusste, Gladys’ Lieblingsgetränk war.
Gladys musterte sie erst entzückt, dann misstrauisch. »Es is’ nich’ so, dass ich nich’ dankbar bin oder mich nich’ freue, Sie hier zu sehen, aber was woll’n Sie von mir?«
»Zunächst nicht in der Tür stehen müssen«, antwortete Hester immer noch lächelnd.
Widerstrebend trat Gladys einen Schritt zurück.
Hester folgte ihr. Das Zimmer war sauberer, als sie erwartet hatte. Hier fehlte jedes Zeichen von Gladys’ Gewerbe, außer vielleicht einem schwachen Geruch nach Schweiß.
»Danke.« Hester ließ sich auf einer Stuhlkante nieder. Die Flasche Cordial hielt sie weiter in der Hand. Sie wollte sie nicht als Geschenk verstanden wissen, sondern als Angebot in einem Handel.
Gladys nahm ihr gegenüber Platz, ebenfalls auf einer Stuhlkante und sehr unsicher. »Also, was woll’n Sie von mir?«, wiederholte sie.
»Eine Information.«
»Ich weiß nix.«
»Unsinn!«, widersprach Hester barsch. »Frauen, die nichts wissen, überleben nicht lange. Lügen Sie mich nicht an, dann lüge auch ich Sie nicht an.«
Gladys zuckte mit den Schultern, womit sie sich in einem gewissen Sinne geschlagen gab. »Worum woll’n Sie mich bitten?«
»Kannten Sie Zenia Gadney?«
Alle Farbe wich aus Gladys’ Gesicht. »Gott im Himmel! Darüber weiß ich wirklich nix, das schwör ich Ihnen!«
»Ich bin mir sicher, dass Sie nichts über den Mord wissen«, bestätigte Hester wahrheitsgemäß. »Was ich von Ihnen hören will, ist, was für ein Mensch sie war.«
Gladys blinzelte sie verwirrt an. »Was meinen Sie damit, was für’n Mensch sie war?«
Wollte sie Zeit schinden, oder verstand sie wirklich nicht? Hester tippte auf die Flasche Cordial. »Dieses Zeug ist ziemlich gut für Ihre Gesundheit.«
»Hm, aber ’ne aufgeschlitzte Kehle wird es bestimmt nich’ kurieren«, erwiderte Gladys heiser. »Oder Eingeweide, die einem rausgerissen und um die Hüften gewickelt werden!«
»Warum sollte irgendjemand Ihnen so etwas antun?« Hester hob die Augenbrauen. »Wie auch immer, der Frau wurde ein schwerer Gegenstand auf den Kopf geschlagen. Wahrscheinlich bekam sie danach überhaupt nichts mehr mit. Sie hatten keine Affäre mit Dr. Lambourn, oder?«
Gladys starrte sie perplex an. »Natürlich nich’! So einer war er nich’. Er wollte doch bloß wissen, ob es leicht is’, Opium zu kaufen, oder ob ich weiß, was alles in dem Zeug drin is’, das ich nehm, wenn ich was zum Einschlafen brauch oder Bauchschmerzen hab.«
»Und Sie selbst?« Hester gab sich alle Mühe, einen dringenden Ton zu unterdrücken. Sie konnte es sich nicht leisten, Gladys ihre Schwäche und Unsicherheit spüren zu lassen. »Wussten Sie, was es enthält oder wie viel genau man einnehmen muss? Oder wie lange man warten muss, bis man wieder etwas schlucken kann?«
»Ich weiß, wie es wirkt. Da brauch ich doch sonst nix zu wissen, oder?«
»Hat er Sie danach gefragt?«
»Mich selber hat er überhaupt nix gefragt. Er wollte es von denen wissen, die Kinder haben. Ich war bloß dabei.«
Hester kehrte zu ihrer ersten Frage zurück. »Kannten Sie Zenia Gadney?«
»Ja. Wieso?«
»Was für ein Mensch war sie?«
»Das haben Sie mich doch schon gefragt. Was woll’n Sie denn von mir wissen?« Gladys schüttelte den Kopf. »Sie war älter als ich, ruhig, nix Aufregendes, aber sauber. Kommt eben immer darauf an, was die Leute wollen. Manche wollen sie eben ganz gewöhnlich, aber bereit,
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