Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Gedanken. »Wissen Sie irgendetwas über die Opiumkriege?«
»Nicht viel«, gestand er. »Das geschah ja alles in China. Eine Art Handelskrieg, soviel ich weiß. Unser Anteil daran ist von hohen Stellen gerechtfertigt worden, aber es muss eine schmutzige Angelegenheit gewesen sein. Ich glaube, wir haben Opium in China eingeführt, und jetzt sind dort Hunderttausende danach süchtig. Kein Grund, stolz zu sein.«
»Vielleicht sollten wir uns das näher anschauen«, regte Hester leise an. »Es könnte noch wichtig werden.«
»Glauben Sie dieser Frau? Ich meine nicht ihre Aufrichtigkeit, sondern ihr Wissen über die Hintergründe.«
»Doch … ja. Was sie gesagt hat, deckt sich in vielem mit meinen Erfahrungen auf der Krim.«
»Gibt es denn Kriege, die nicht hässlich sind?« Voller Bitterkeit hielt sich Rathbone vor Augen, was er über den Krimkrieg wusste und gehört hatte, seine Gewalt, die Verluste und seine Vergeblichkeit. »Dieser Bürgerkrieg in Amerika – Gott allein weiß, wie viele Leben er gekostet hat. Ist auch ein ziemlich guter Markt für Opium. Das muss ein entsetzliches Gemetzel gewesen sein. Und darin sind die Verwundeten noch gar nicht eingerechnet! Vermutlich weiß man bis heute nicht, wie hoch die Zahl ist. Und es sind nicht nur die Opfer! Hinzu kommen noch die Verwüstungen und der Hass, der zurückbleiben wird.«
»Ich glaube, dass Hass auch zur Hinterlassenschaft der Opiumkriege gehört«, murmelte Hester. »Und Geld und Schuld. Dazu haufenweise Geheimnisse, die man lieber begraben hat.«
»Geheimnisse bleiben nicht auf Dauer unter der Erde«, sagte Rathbone leise. Es drängte ihn, Hester seine eigene Verschlusssache anzuvertrauen, die immer noch bei ihm zu Hause herumlag, statt in einem Banktresor zu ruhen, aus dem nur er sie herausholen konnte. In seinem Bewusstsein würde sie freilich nie Ruhe geben.
Hester starrte ihn aufgeschreckt an. Sie kannte ihn zu gut, als dass er sie mit billigen Ausreden abspeisen konnte. »Oliver? Wissen Sie etwas über Dinah, wovon wir keine Ahnung haben? Etwas Schlimmes?«
»Nein!«, rief er, vor Erleichterung aufatmend. »Es … es war etwas ganz anderes.«
»Es ? « , fragte sie misstrauisch. »Worüber sprechen wir jetzt?«
»Es war … es …« Er atmete tief durch. Sein Wissen belastete ihn in einem Maße, dass er es allein kaum noch ertrug. »Wissen Sie, was nach Arthur Ballingers Tod aus seinen Fotografien geworden ist?«
Hester erblasste, und ein Ausdruck des Schmerzes trat in ihre Augen. »Nein, warum? Befürchten Sie, dass sie in die falschen Hände gefallen sein könnten?« Sie griff über den Tisch und berührte sanft seine Hand. »Es hat keinen Sinn, sich Sorgen zu machen. Bestimmt sind sie irgendwo sicher verwahrt, wo niemand sie finden wird. Aber selbst wenn nicht, haben wir es nicht in der Hand, dies zu ändern.« Ihre Hand lag warm auf der seinen. »Wenn jemand sie hat, kann er ja nur Schuldige damit erpressen. Haben Sie denn wirklich Mitleid mit Männern, die Kindern derart schlimme Dinge angetan haben? Ich weiß, dass sie zumindest am Anfang vor allem dumm waren, aber das kann sie doch nicht schützen.«
»Es geht nicht um Geld, Hester, sondern um Macht.«
»Macht?« Hesters Gesicht verriet nun deutlich Angst und vielleicht erste Ansätze eines keimenden Begreifens.
»Macht, sie zu zwingen, Dinge zu tun, die er von ihnen will.«
»Glauben Sie, dass in diesen Unterlagen noch andere Leute vorkommen … Richter, Politiker oder …?« Sie sah es seinem Gesicht bereits an. »Sie wissen es. Hat Ballinger ihre Namen veröffentlicht?«
»Nein. Noch viel schlimmer, Hester! Er hat sie mir hinterlassen!« Er starrte sie eindringlich an, wartete auf das Entsetzen, wenn nicht den Abscheu in ihren Augen.
Sie saß regungslos da. Langsam sickerte ihr die volle Bedeutung seiner Worte ins Bewusstsein. Sie studierte ihn. Vielleicht erkannte sie wenigstens teilweise die Bürde, die auf ihm lastete, und die bittere Ironie seiner Situation. Die Aufzeichnungen waren Ballingers Erbe und Rache in einem. Er mochte sich nicht bewusst gewesen sein, was er Rathbone damit antun würde, musste sich aber an der Vorstellung des grässlichen Nachgeschmacks, den sie bargen, ergötzt haben.
»Es tut mir leid«, murmelte Hester schließlich. »Wenn Sie sie vernichtet hätten, hätten Sie anders gesprochen, nicht wahr?« Das war keine Frage, sondern ihre Art, ihm zu verstehen zu geben, dass sie verstanden hatte.
»Ja«, gab er zu, »aber ich werde sie verstecken.
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