Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
erkennbarer Zeitverschwendung erheben, und Pendock würde ihm zu Recht das Wort verbieten. Und – wichtiger noch – die Geschworenen würden sehen, dass ihm die Argumente ausgegangen waren.
Und verständlicherweise würden sie versuchen, den Prozess noch am Freitag zu beenden, damit sie wenigstens die restlichen Weihnachtstage unbeschwert verbringen konnten.
Hester zog eine skeptische Miene. Sie hatte die Unentschlossenheit in seinen Augen gesehen. »Rufen Sie Winfarthing am Freitag auf«, schlug sie vor. »Gleich nach Dinah.«
»Sind Sie sich bei ihm sicher?«
»Fällt Ihnen etwas Besseres ein?«, fragte sie mit einem fast unmerklichen Schulterzucken zurück.
»Mir fällt überhaupt nichts ein«, gestand er. »Können wir uns darauf verlassen, dass er nichts Belastendes sagen wird, auch nicht versehentlich?«
»Höchstwahrscheinlich«, erwiderte sie.
»Und diese Frau, die Nisbet?« Als er den harten Ton in seiner eigenen Stimmme vernahm, erkannte er, wie tief die Furcht in ihm saß, dass er in seinem eigenen Schmerz über Verlust und Desillusionierung am Ende Dinah Lambourn im Stich lassen und sie das mit dem Leben bezahlen würde.
Hester lächelte. »Es gibt keine Gewissheiten. Das alles haben wir doch schon einmal erlebt. Wir spielen unsere Karten aus, so gut wir eben können. Eine Garantie auf den Sieg haben wir nie gehabt. Das ist nicht vorgesehen.«
Rathbone wusste, dass sie recht hatte. Er war schlichtweg nicht mehr so tapfer wie früher und sich der Dinge, auf die es ankam, weniger gewiss. Oder vielleicht war er seiner selbst nicht mehr so sicher.
Als Rathbone auf dem Rückweg mit der Fähre über den Fluss fuhr, genoss er zu seiner eigenen Überraschung den kalten Wind im Gesicht und sogar die Unannehmlichkeiten, die ihm das aufgewühlte Wasser bereitete. Im Pool of London schien heute viel los zu sein: Große Ozeansegler lagen vor Anker, die darauf warteten, Fracht aus allen möglichen Häfen der Welt zu entladen; Leichterboote, die Waren von den Wasserstraßen im Inland zu den riesigen Schiffen brachten, Fähren, die sich in beide Richtungen dazwischen hindurchschlängelten, sogar ein Boot der Wasserpolizei, das sich seinen Weg zum St. Saviour’s Dock bahnte. Jeder schien heute mit doppelter Anstrengung zu arbeiten. Mit Paketen beladen, eilten die Leute durch die Straßen, riefen sich Glückwünsche zu, besorgten die letzten Einkäufe für das morgige Fest.
Am Nordufer angekommen, kletterte Rathbone von Bord und zahlte den Fahrpreis. Zügig lief er zur Commercial Road, wo er einen Hansom nahm. Sein Ziel war das unmittelbar hinter dem Old Bailey gelegene Newgate Prison, wo Dinah Lambourn eingesperrt war.
Vor der Begegnung mit ihr kehrte Rathbone in einem ruhigen Gasthaus ein, wo er sich Steak-and-Kidney-Pudding gönnte, einen üppigen, in Teig gebackenen Auflauf mit Rinderlende, Nierenfleisch und Austern, den er mit einer halben Flasche bestem Rotwein hinunterspülte. Auch wenn er zu sehr von seinen Sorgen belastet war, um den reichhaltigen Geschmack genießen zu können, fühlte er sich danach von frischer Entschlossenheit beseelt. Ein großer Teil seines Tatendrangs war freilich von Zorn auf sich selbst befeuert, weil er sich so leicht hatte geschlagen geben wollen.
Er hatte angestrengt darüber nachgedacht, was er Dinah sagen sollte, und kurz bevor er das Gefängnis erreichte, traf er seine Entscheidung. An der Pforte gab er dem Aufseher die nötigen Informationen und musste sich zum x-ten Mal ausweisen, als ob man ihn dort nicht schon längst kennen würde.
Dann wurde er zu der vertrauten Zelle eskortiert, wo er allein wartete, bis Dinah hereingeführt wurde. Sie wirkte abgemagert und noch blasser als beim letzten Mal, als wüsste sie, dass der Kampf vorbei und sie verloren war. Und die Schuld an diesem Scheitern spürte Rathbone wie eine Wunde tief im eigenen Innern.
»Bitte setzen Sie sich, Mrs Lambourn«, bat er sie. Nachdem sie sich auf dem Stuhl ihm gegenüber niedergelassen hatte, nahm auch er Platz. Während er ihre unbeholfenen Bewegungen beobachtete, erkannte er, dass sie vor Angst ganz starr war.
»Ich habe soeben mit Mr Monk gesprochen«, eröffnete er das Gespräch. »Er und Mr Runcorn haben viel über Dr. Lambourn herausgefunden, und alles davon bestätigt das, was Sie mir gesagt haben. Leider kann das Ihre Aussichten nicht wesentlich verbessern, denn wir haben keine Beweise, die vor Gericht bestehen könnten. Wenn wir unsere neuen Zeugen aufrufen, gehen wir ein
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