Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
kommen und wie Rathbone in Ruhe gelassen zu werden.
Als Rathbone ins Gesellschaftszimmer trat, erhob sich Brundish, ein untersetzter Mann in gestreiftem Anzug. Er wirkte müde und etwas besorgt.
»Verzeihen Sie den späten Besuch«, entschuldigte er sich, bevor Rathbone etwas sagen konnte. »Morgen kann ich nicht kommen, und ich musste nun mal eine Lösung für … das hier finden.« Sein Blick glitt nach unten auf die vor dem Stuhl platzierte Schachtel. Sie hatte die Form eines etwa kniehohen Würfels.
»Eine Lösung dafür?«, fragte Rathbone verwirrt. »Was ist das überhaupt?«
»Ihre Erbschaft«, erwiderte Brundish. »Vom verstorbenen Arthur Ballinger. Ich habe die Schachtel zu treuen Händen aufbewahrt. Oder zumindest den Schlüssel und die Anweisungen. Die Schachtel habe ich erst heute erhalten.«
Rathbone erstarrte. Die Erinnerung flutete zurück: Ballingers vor gallenbitterer Ironie triefende Mitteilung zum Abschied, dass er ihm die Erpresserfotografien hinterlassen hatte. Rathbone hatte gedacht, das wäre ein Scherz eines Sterbenden, eine leere Drohung.
Er starrte die Schachtel auf dem Teppich an – der ebenfalls von Margaret ausgesucht worden war – und fragte sich, ob sie tatsächlich das enthalten mochte, was ihm damals angekündigt worden war: Aufnahmen von Männern, wichtigen Männern, mächtigen Männern mit Geld, Rang und Namen bei der Ausübung ihres verhängnisvollen Lasters, mit denen sie nun erpresst wurden. Wenigstens ein Gutes hatten Ballingers Machenschaften bewirkt. Sein allererstes Opfer war ein Richter gewesen, der keinerlei Neigung verriet, eine Fabrik zu schließen, die ihre Umgebung verschmutzte und schreckliche Krankheiten verursachte. Die Drohung, seine Vorliebe für brutalen sexuellen Missbrauch kleiner Jungen vor der Öffentlichkeit auszubreiten, hatte den Mann dazu bewogen, es sich anders zu überlegen.
Jedes Mitglied dieses widerwärtigen Clubs hatte für eine Fotografie posieren müssen, die so verderbt und kompromittierend war, dass ihre Veröffentlichung ruinös gewesen wäre. Nach der Initiation hatten die Neumitglieder ihrem Laster relativ ungestört frönen können – bis Ballinger sie für die eine oder andere Gefälligkeit benötigte.
Erst nach Jahren war diese Gepflogenheit – bestimmte Dienste gegen Wahrung der Diskretion – zu regelmäßiger Bezahlung ausgeartet. Und noch später – als das Boot, auf dem all das stattgefunden hatte, Ballingers Gewinngier befriedigt hatte – zu Mord.
Rathbone hatte keine Gewissheit darüber, ob Ballinger sich selbst des Mordes schuldig gemacht oder von Jungen gewusst hatte, die beseitigt wurden, weil sie zu groß und reif geworden waren, um die Gelüste der Kunden zu befriedigen, oder sich deren Anwandlungen nicht mehr hatten bieten lassen. Er zog es vor zu glauben, dass sein Schwiegervater wenigstens an diesen zusätzlichen Verbrechen unschuldig war.
Margaret glaubte nichts von alldem, aber sie hatte auch nie die Aufnahmen gesehen oder sich eine Vorstellung von den Gräueltaten gemacht. Und Rathbone würde mit Zähnen und Klauen darum kämpfen, dass das so blieb. Solche Dinge brannten sich ins Bewusstsein ein und ließen sich nie wieder daraus entfernen. Selbst Rathbone wachte nachts schweißgebadet auf, wenn er im Traum diese Bilder sah, erneut auf diesen Booten stand und in Schmerz und Angst zu ertrinken glaubte, als versänke er in verdrecktem Wasser.
»Danke«, murmelte er mit heiserer Stimme. »Sie müssen das hier zurücklassen, nehme ich an?«
»Ja.« Brundish hob in mildem Erstaunen die Augenbrauen. »Ihrer Bemerkung entnehme ich, dass Sie nicht unbedingt darauf brennen … was auch immer darin sein mag.« Er zog einen kleinen Papierbogen und einen Stift aus der Innentasche seiner Jacke. »Dennoch muss ich Sie bitten, mit Ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass ich es Ihnen überbracht habe.«
»Selbstverständlich.« Ohne weiteren Kommentar ging Rathbone mit dem Dokument zu seinem Pult in der Ecke, tauchte eine Feder ins Tintenfass und unterschrieb. Nachdem er die Tinte mit einem Löschpapier getrocknet hatte, reichte er Brundish die Bestätigung zurück.
Kaum war Brundish gegangen, ließ er sich von Ardmore Brandy bringen, dann gab er ihm für den Abend frei, setzte sich in seinen Sessel und grübelte.
Sollte er die Aufnahmen zerstören, ohne die Schachtel zu öffnen? Er blickte darauf hinunter und erkannte erst jetzt, dass sie aus Metall und mit einem Vorhängeschloss verriegelt war. Der Schlüssel war
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