Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
stören.
Monk ließ Mrs Lambourn etwas Zeit, ehe er sie ermunterte fortzufahren.
»Es tut mir leid«, entschuldigte sie sich erneut. »Ich erwarte immer noch, gleich seine Schritte zu hören. Das ist lächerlich, nicht wahr? Ich weiß doch, dass er tot ist. Mein ganzer Körper weiß es, jeder noch so kleine Teil, jeder Gedanke in meinem Kopf ist davon erfüllt. Und doch vergesse ich es, wenn ich mich schlafen lege; und auch am Morgen, wenn ich aufwache, ist mir immer einen Moment lang, als wäre er noch bei mir. Aber dann fällt es mir wieder ein.«
Monk versuchte, sich vorzustellen, wie es in seinem Haus wäre, wenn Hester nicht mehr zurückkehrte. Der Gedanke war unerträglich, und er bemühte sich, ihn zu verscheuchen. Er würde seelisch verkrüppeln! An so etwas durfte er einfach nicht denken! Stattdessen musste er sich auf die Aufgabe konzentrieren zu ermitteln, wer Zenia Gadney ermordet hatte. Was Joel Lambourns Selbstmord betraf, waren ihm die Hände gebunden. Er konnte nichts daran ändern. Vielleicht wurde das alles nur umso schmerzhafter, wenn der Grund dafür bekannt wurde. Wie gingen Menschen nur mit so etwas um? Fanden sie genügend Antworten, um weitermachen zu können? Das tägliche Leben musste ihnen nach einer solchen Katastrophe absurd und völlig bedeutungslos vorkommen. Er nahm an, dass die Gegenwart von Kindern sowohl schmerzte als auch half. Man nahm sich ihretwegen zusammen.
Aber wie war es in den Nächten, wenn man allein in dem Bett lag, das man miteinander geteilt hatte, und es still im Haus war? Wenn einen Gedanken an das restliche Leben überfielen, das von Trauer geprägt sein würde?
»Mrs Lambourn, bitte sprechen Sie weiter …«
Sie seufzte. »Joel war sehr klug, ja, er war brillant. Er arbeitete für die Regierung auf verschiedenen Gebieten der medizinischen Forschung.«
»Was war sein letztes Thema?« Monk war nicht wirklich daran interessiert, es ging ihm lediglich darum, sie am Reden zu halten.
»Opium«, antwortete sie, ohne zu zögern. »Er forschte mit aller Leidenschaft über den Schaden, den es anrichtet, wenn es nicht richtig etikettiert ist. Und das ist fast überall die übliche Praxis, sagte er immer wieder. Er hatte eine gewaltige Menge an Fakten und Zahlen über die Toten gesammelt. Ständig saß er in seinem Arbeitszimmer, ging seine Ergebnisse akribisch durch, ob auch wirklich alles hundertprozentig stimmte. Schließlich musste er jeden Bericht in Hinblick auf die vorliegenden Fakten überprüfen lassen.«
»Zu welchem Zweck?« Obwohl Monk sich nicht in Details hatte vertiefen wollen, war sein Interesse geweckt.
Zum ersten Mal blickte sie ihm ins Gesicht. »Tausende von Menschen sterben an Opiumvergiftung, Mr Monk, darunter auch viele Kinder. Wissen Sie, was ein ›penny twist‹ ist?«
»Natürlich. Ein kleines Tütchen Opiumpulver, das man in Apotheken, aber auch in jedem Eckladen kaufen kann.« Er dachte an Mr Clawson in seinem Geschäft mit all den Heilmitteln, der Zenia Gadney so leidenschaftlich verteidigt hatte.
»Wie viel enthält ein Tütchen?«, fragte Dinah Lambourn.
»Ich habe keine Ahnung«, gab Monk zu.
»Der Verkäufer auch nicht. Genauso wenig die Frau, die es kauft, um es ihrem Kind zu geben oder es selbst einzunehmen, weil sie Kopf- oder Magenschmerzen hat oder nicht schlafen kann.« Mit ihren schönen Händen vollführte sie eine hilflose Geste. »Ich übrigens auch nicht. Und genau das wollte Joel nachweisen. Er wusste von Tausenden opiumbedingten Todesfällen im ganzen Land. Vor allem bei Kindern. Das war nur ein Teil seiner Studie, aber es war der Aspekt, der ihn am meisten beschäftigte.«
Monk versuchte immer noch, eine Vorstellung von dem Mann zu gewinnen, der nach Limehouse gefahren war, um Zenia Gadney zu besuchen und ihr jeden Monat Geld zu geben. Bisher war das Bild so unvollständig, dass es praktisch keinen Sinn ergab. Und warum hatte er sich das Leben genommen? Auch darin vermochte er bisher keinen Sinn zu erkennen.
»War er ein erfolgreicher Mann, in finanzieller Hinsicht, meine ich?«, fragte er und kam sich dabei vor, als rühre er an eine offene Wunde.
»Selbstverständlich!«, erwiderte sie in einem Ton, als hielte sie die Frage für naiv. »Er war brillant.«
»Wissenschaftliche Brillanz wird nicht immer finanziell belohnt«, gab Monk zu bedenken. War es möglich, dass sie nichts über seine geschäftlichen Angelegenheiten wusste? Hatte er es am Ende mit Glücksspiel versucht und böse Verluste erlitten? Oder war
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