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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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»Nichts Dringendes, ruf mich doch gelegentlich an. Aber auf dem Handy. Du weißt ja, bei Marlen bin ich ausgezogen.«
    Dann meldete er sich im Tai Chi ab. »Aus Gründen der fehlenden ruhigen, harmonischen Bedingung der inneren Umgebung«, erklärte er.
    Er fand seinen Waschbeutel zwischen den Kleidern in der Tasche, rasierte und duschte sich, zog sich an und begann zu packen.
    Gegen zehn rief er Fredi an und verabredete sich mit ihm zum Mittagessen. Fredi schlug das Bertini vor. Als ob es das einzige klimatisierte Lokal der Stadt wäre.
    »Was ist so dringend?« fragte Fredi. Er hatte das Jackett seines schwarzen Leinenanzugs neben sich auf der Bank liegen und trug ein weißes, kurzärmeliges Buttondown und eine dezent rot und grün gestreifte Krawatte.
    »Kannst du mir einen Gefallen tun?« fragte Fabio.
    Fredis Gesicht wurde betont ausdruckslos, wie früher, wenn er als Libero eine Anspielstation für einen seiner weiten Pässe suchte.
    »Ich brauche etwas zum Wohnen. Vorübergehend.« Fredi schien erleichtert. »Schluß mit - wie hieß sie?«
    »Marlen.«
    »Ißt du nichts?«
    Fabio hatte die Speisekarte nicht angerührt, und der Kellner stand jetzt mit dem Bestellblock neben dem Tisch. »Nur einen Salat.«
    Fredi bestellte Antipasti und Pasta und einen Fleischgang, das volle Programm. »Weshalb ißt du nichts?« wo llte er wissen.
    »Wegen gestern. Zuviel Grappa.«
    »Gerade dann mußt du essen.«
    »Hast du was für mich?«
    Fredi nestelte im Jackett neben sich, entnahm ihm ein winziges Handy und begann zu telefonieren. Es sah aus, als stützte er seinen schweren Kopf in die Hand und führte Selbstgespräche. Als die Antipasti gebracht wurden, begann er zwischen den Sätzen zu essen. Einmal blickte er kurz auf und fragte: »Hast du Möbel?«
    »Einen Schreibtisch mit Korpus und Stuhl.«
    »Er braucht etwas Möbliertes«, sagte Fredi ins Telefon.
    Als er das Handy wieder im Jackett verstaute, hatte er die Antipasti-Tellerchen leergegessen. »Nach dem Essen holen wir die Schlüssel«, informierte er Fabio.
    Zwei Stunden später fuhr Fabio in einem Warentaxi ins Apartmenthaus Florida. Gegen ein Extratrinkgeld half ihm der Fahrer, den Tisch in den zweiten Stock hinaufzutragen. Korpus, Stuhl, Koffer, Tasche und die paar Tragetaschen paßten in den Lift.
    Fabios Apartment war Nummer acht. Es bestand aus einem Raum mit einem Doppelbett, einem Nachttisch, eine m Polstersessel, einem Couchtisch, einem Einbauschrank, einer Kochnische, einem Bad mit Dusche, Waschbecken und WC. Das Ganze auf einer Fläche von vielleicht zwanzig Quadratmetern. Auf dem Spannteppich hatte jemand vor längerer Zeit eine Flasche Rotwein verschüttet. Vor dem einzigen Fenster war ein Vorhang mit Palmenblättern zugezogen. Er öffnete ihn, machte das Fenster auf und schaute auf die Straße hinunter. Die Sternstraße. Mitten im Milieu.
    Er räumte seine Sachen in den Schrank. Die meisten Kleider mußten in die Wäsche. Dann richtete er seinen Arbeitsplatz ein. Die einzige Stelle, um den Schreibtisch zu plazieren, war vor dem Fenster. Und auch das ging nur, wenn er die Beine des Couchtischchens abschraubte und sie zusammen mit der Tischplatte unter dem Bett verstaute.
    Die Empfangshalle von LEMIEUX war ausgestorben bis auf einen Mann in einer Glaspforte. Er winkte Fabio zu sich.
    »Fabio Rossi. Ich habe einen Termin bei Doktor Mark.«
    Der Mann blätterte wichtig in einem Verzeichnis. Er hatte offenbar vor kur zem seinen Nachtdienst angetreten, war frisch rasiert und roch nach After-shave. Seine Haare waren getönt, Fabio konnte den weißen Haaransatz sehen. Auf einem Namensschild mit dem Logo von LEMIEUX stand: »Josef Klein, Security.«
    Herr Klein stellte eine Nummer ein. Nach einem Augenblick sagte er ehrfurchtsvoll: »Herr Doktor, ein Herr…« Er schaute Fabio an.
    »Rossi«, half Fabio.
    »Ein Herr Rossi. Er sagt, er habe einen Termin.« Er beobachtete Fabio aus den Augenwinkeln. »In Ordnung, schönen Abend noch, Herr Doktor.«
    Er stand von seinem Sessel auf, deutete auf den Lift und erklärte: »Achter Stock. Wenn Sie aus dem Lift kommen, rechts den Gang hinunter. Das letzte Büro links, es ist angeschrieben. Herr Doktor Mark wird Sie empfangen.«
    Fabio sah ihm an, daß das ein Privileg war, das ihm Herr Klein an Doktor Marks Stelle nicht gewährt hätte.
    Die achte war eine Teppichetage. Keine Kaffeeautomaten, Fotokopierer und Netzwerkdrucker, nur anthrazitfarbene, mittelflorige Auslegeware. Keine schwarzen Bretter, Firmenkalender und

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