Ein Pirat zum Verlieben
bekam, dass ihre Augen tränten.
Solchermaßen gerüstet, verließ sie die Kajüte und huschte zum Niedergang. Ich muss verrückt sein, dachte sie, als sie sich an das Geländer klammerte. Idiotisch, nicht einfach unten abzuwarten, bis das alles überstanden ist. Aber das konnte sie nicht. Improvisiere mit dem, was zur Verfügung steht, konnte sie ihren Vater sagen hören; wenn man sich schnell an die Situation anpasst, kann man jedes Hindernis überwinden. Tess stieß die Luke auf.
An Deck starrte sie in das Chaos, das ringsum tobte. Degen klirrten, Pistolen krachten und ließen ihr Mündungsfeuer wie weiße Wölkchen in die Dunkelheit steigen. Die Luft war dicht von Rauch; Männer stürzten schreiend ins Wasser, während ihre Gegner auf der Sea Witch und auf dem anderen Schiff gnadenlos weiterkämpften. Verdammt, Blackwell, dein eigenes Schiff reicht dir wohl nicht! Sie war einen Moment lang nicht auf der Hut, und ein Mann stürzte sich knurrend auf sie. Ihr Fuß schnellte hoch und erwischte ihn in der Magengrube; er kippte rücklings um und gab ihr Gelegenheit, auf das. Hüttendeck zu klettern und ein Stück in die Wanten zu steigen. Gott sei Dank habe ich diesen Karatekurs besucht, dachte sie. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als sie von ihrem erhöhten Standpunkt aus das andere Schiff absuchte.
Sein Großmast stand in Flammen, aber von Blackwell war weit und breit nichts zu sehen. Tess, die sich den Schwingungen der Takelage mühelos anpasste, stieg weiter nach oben. Hatte Blackwell das Schiff angegriffen? War er so gewissenlos? Ein loses Seil zur Sicherung durch ihre Schenkel gezogen und um den Knöchel geschlungen, hing Tess am Großmast und wedelte mit einer Hand vor ihrem Gesicht, um den Rauch zu vertreiben. Sie kniff die Augen zusammen und fixierte alles, was sich bewegte. Ihr Herz klopfte laut bei der Suche. Wo bist du, du archaischer Seebär? Die Muskeln in ihren Armen arbeiteten fieberhaft, und ihr ganzer Körper verkrampfte sich vor der Anstrengung, nicht laut aufzuschreien. O Gott! War er bereits tot? War er über Bord gegangen? Tränen nahmen ihr die Sicht. Bitte nicht, lieber Gott!
Sein Degen aus feinstem Toledo-Stahl klirrte, und Dane kämpfte weiter, Heft an Heft, bis seine überlegene Stärke den Mann über die Reling stieß und er an Bord der Brigg springen konnte. Ein anderer kam, und Danes Klinge stieß erneut zu, zuckte über die nackte Brust des Mannes und schlitzte sie auf. Der Seemann schrie auf, taumelte zurück und fiel auf einen Kanonenlauf. Das heiße Metall versengte ihm die Haut. Sein Schmerzensschrei war ohrenbetäubend, aber Dane stürmte weiter vor. Der Gedanke an Phillip trieb ihn an, in dieser Nacht endlich Rache zu nehmen.
Auf dem Deck der Brigg schwenkte Dane Blackwell seinen Degen und kämpfte sich zu ihrem Kapitän durch. Der elende Feigling stand auf dem Achterdeck, umringt von Männern, die mit gezücktem Schwert auf den Moment warteten, in dem er sich verteidigen musste. Danes Lippen verzogen sich verächtlich. Dieser Dandy mit Perücke trieb seine Männer in den Kampf, während er selbst nichts anderes tat, als hektische Befehle zu brüllen und seine Waffe zu schwenken. Dane, der keinen Grund zu sinnlosem Töten sah, schubste die Männer aus dem Weg, bis er sich gezwungen sah, sie niederzumachen. Er hatte dem Schiff die Chance gelassen, sich zu ergeben, nachdem sie den ersten Schuss abgefeuert hatten; die darauf folgende Breitseite hatte ihren Großmast zerstört.
Dane packte ein Tau und schwang sich ungehindert auf die Reling. Dann landete er wieder mit einem Satz auf dem Deck.
»Bitten Sie um Gnade, Bennett?«, rief er und beobachtete, wie sich Captain Bennetts Augen weiteten. »O ja, ich kenne Sie! Nur ein Feigling wie Sie würde einen Schuft wie Rothmere unterstützen!«
Solchermaßen vor den Augen seiner Crew provoziert, stürzte Bennett los und stieß seine Leute beiseite, um zu dem legendären Kapitän zu gelangen.
Tess’ Augen weiteten sich, als sie Dane kämpfen sah. Sein Degen durchschnitt Fleisch, als würde er Unkraut mähen. Von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, wirkte er Furcht erregend, fast wie eine Gestalt aus einem alten Piratenfilm. Anscheinend hatte er etwas gesagt, was den Mann mit der albernen weißen Perücke und der gelben Seidenjacke noch mehr in Rage brachte, da sich der Typ jetzt nicht mehr hinter seinen Leuten verschanzte. Er sprang vor, zog seinen Degen und hielt ihn vor sein Gesicht, bevor er mit der Spitze kurz
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