Ein Pirat zum Verlieben
verfluchen, und rappelte sich dann mühsam mit ihren steifen Röcken hoch.
Über ihrem Kopf konnte sie schnelle Schritte hören. Schreie ertönten aus allen Richtungen außer Steuerbord. Sie drehte sich hastig zum Fenster um, und ihre Augen weiteten sich. Grelle Blitzlichter brachen sich bei jedem ohrenbetäubenden Krach auf dem Ozean und Wasser sprühte in hohen Fontänen auf, als Tess sich zu der samtbezogenen Bank hangelte. Sie ließ sich auf den Sitz fallen und schluckte krampfhaft, zu geschockt, um sich rühren zu können. Sie konnte nicht viel sehen, aber o Gott, sie konnte es hören. Schmerzensschreie, Schreie schierer Todesangst hallten zu ihr hinunter und jagten ihr kalte Schauer über den Rücken. Das Ganze war so realistisch! Dann erbebte die Fregatte, als sie dreimal hintereinander Kanonenschüsse abfeuerte. Sie hörte Wasser gurgeln, Holz krachen, Metall an Metall quietschen und Segel reißen. Lass es bitte nicht unsere sein, dachte sie, unsicher, ob dieses Schiff eine derart authentische Darbietung verkraften könnte. Der Geruch von Schießpulver wehte zu ihr, und voller Entsetzen beobachtete sie, wie eine Kanonenkugel nur wenige Meter vom offenen Fenster entfernt ins Meer plumpste, nah genug, um Wasser in ihr Gesicht zu spritzen.
Das wär’s, dachte sie, während sie die Tropfen von ihrem Gesicht wischte und das Fenster verriegelte. Tess sprang auf, rannte zur Tür und schlug verzweifelt an das Holz. Sie musste hier raus! Als sie draußen schnelle Schritte hörte, brüllte sie: »Lasst mich raus!« Die Schritte wurden langsamer, verharrten und rannten dann weiter. Wer es auch war, er ignorierte ihren Hilferuf. Das war doch Wahnsinn! Was, wenn dieser Kahn tatsächlich sank? Fieberhaft rüttelte sie an dem Riegel, aber er rührte sich nicht. Dann lächelte sie, trat zurück und hob ihre Röcke bis über die Oberschenkel. Sie konzentrierte sich und zielte, bevor sie genau vor dem Riegel in das Holz trat. Es gab ein kleines bisschen nach. Das Lärmen von oben übertönte jedes Geräusch, das sie machte, und Tess trat immer wieder mit dem Ballen zu, bis sie das Holz bersten hörte. Sie riss und zerrte an dem Riegel, bis er nachgab und sie zum zweiten Mal an diesem Abend quer durch die Kajüte segelte. Nicht der richtige Zeitpunkt, sich Gedanken um meine Würde zu machen, dachte sie, während sie sich kurz an der Tischkante festhielt, bevor sie zur Tür hinausrannte.
Draußen war niemand zu sehen, und sie jagte den Gang hinunter. Die Röcke mit einer Hand gerafft, blieb sie vor der Luke stehen, um sich für das, was sie vielleicht vorfinden würde, zu wappnen. Sie konnte hören, wie Blackwell Befehle brüllte und Flüche ausstieß. Die Kanonen, die zurückgerollt wurden, um neu bestückt zu werden, rumpelten unter ihren Füßen; dann erzitterte das Schiff bei einer neuerlichen Salve, und Tess wurde heftig an die Tür geschleudert. Sie gab unter der Wucht des Aufpralls nach, und Tess flog hinaus und landete der Länge nach auf dem nassen Deck. Rasch rollte sie sich in eine sitzende Position und sah sich mit weit aufgerissenen Augen um.
Kaum einen Meter von ihr entfernt duellierten sich zwei verschwitzte Männer mit Säbeln, und Tess zog sich hastig aus ihrer Reichweite zurück. Sie hörte, wie der eine den anderen »Skorbutratte« nannte, und sah, wie er seinen Säbel hob. Licht brach sich an dem glitzernden Stahl, als der Mann, in dem sie ein Mitglied der Crew erkannte, die Klinge nach unten sausen ließ. Der andere stieß einen schrecklichen Schrei aus, und Tess keuchte, als vor ihren Knien eine Hand auf das Deck fiel, die zuckenden Finger noch um das Heft der eigenen Waffe geschlossen.
Ihr Magen hob sich, als ihr Blick zu dem Verwundeten flog, genau in dem Moment, als sein Gegner ihm den Säbel in die Brust rammte. Er heulte auf, bevor die Klinge auf der anderen Seite hervortrat, und sackte dann mit verdrehten Gliedern auf den Bodenplanken in sich zusammen. Aus seinem Armstumpf strömte immer noch Blut. Tess rappelte sich auf, rannte zur Reling und erbrach sich, bis nichts mehr in ihrem Magen war. Sie riss einen Streifen von ihrem Unterrock ab, wischte sich den Mund ab und schleuderte den Fetzen Stoff ins Meer. Als sie sich umdrehte, waren Kämpfer und Säbel verschwunden; nur das Opfer lag blutend auf den feuchten Planken. Das ist nicht echt, sagte sie sich, während sie versuchte, ihre hektischen Atemzüge zu beruhigen, und zwang sich, zu dem Mann zu gehen.
Es ist nur gespielt! Sie arbeiten
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